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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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hier, die sogenannten Betroffenen? Wie stellen sie sich dazu?«, fragte er, als Klaus ihn begrüßte. »Ist den Umweltschützern die Puste ausgegangen, oder ist ihnen das inzwischen egal? Weil bei den Milliardenfür die Banken dreihundertsiebzig Millionen Euro in die Kategorie von Peanuts gehören?«
    Er hatte es ironisch gemeint, es vielleicht ein wenig von oben herab gesagt, und er glaubte auch, dass die Aktionen viel zu spät kamen  – wenn es vor vierzig Jahren die ersten Proteste gegeben hatte und man noch immer stritt. Die Entscheidungen waren längst getroffen worden. Diese Bürgerinitiative konnte den Bau höchstens verschleppen.
    »In Hannover ist bestimmt alles besser als hier«, sagte Klaus beleidigt. Wütend zerrte er am Reißverschluss seiner Kombination. »In der Großstadt sind sie auch viel schlauer als wir Hinterwäldler in diesem engen Tal. Meinen Sie das? Schon klar, ihr haltet uns für blöde. Na ja, vielleicht stimmt’s ja. Hier hat es die meisten Leute leider nie besonders interessiert, was hinter der nächsten Moselschleife passierte. Man sieht es nicht mehr, also regt man sich nicht auf. Über den Jet-Sky-Verkehr und Ölflecken auf dem Wasser, da regen sie sich auf, über eine tote Ente schreibt sogar die Zeitung – aber die Brücke? Nee, erst wenn es zu spät ist, wachen sie kurz auf und pennen gleich wieder ein. Das geht mir gegen den Strich.«
    »Ihr Gemeinsinn ist bewundernswert«, sagte Georg kühl, »nur leider stehen Sie damit allein. Wie viele Mitglieder hat die Bürgerinitiative?« Er sah sich provozierend um.
    »Weiß ich nicht. Auf jeden Fall viel zu wenig.«
    »Und was sagen die Bürgermeister von Zeltingen und Rachtig dazu und der von Erden und der von Ürzig?«
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, sie sind dafür.«
    »Meistens werden solche Leute gekauft, unter uns gesagt. Die werden eingeladen, herumgefahren und hofiert, die fühlen sich gebauchpinselt, wenn Manager und Minister ihnen auf die Schulter klopfen und ihnen Weitblick bescheinigen, wenn sie ihnen nach dem Munde reden und alle Maßnahmen als ebenso ›alternativlos‹ abnicken. Wer ist denn nun gegen die Brücke? Außerdem gibt es, soweit ich weiß, beiWinningen eine ähnliche, an der Autobahn 61 bei Koblenz …«
    »Die Mehrheit ist immer feige«, sagte Klaus wütend, »das war schon in der Schule so, das ist jetzt in der Berufsschule nicht anders, die meisten kuschen. Und die Alten haben Angst. Herr Sauter hat erzählt, dass vor Jahren ein FDPler, zusammen mit einem von der SPD, den Bau einer billigeren Brücke bei Brauneberg verhindert hätte, weil sie die nicht vor ihrer Nase beziehungsweise Terrasse haben wollten. Die wäre nur fünfhundert Meter lang gewesen. Die neue jetzt wird anderthalb Kilometer lang. Aber was soll Ihre Fragerei? Sind Sie gekommen, um zu stänkern oder anderen den Mut zu nehmen? Sie haben keine Ahnung, worum es geht. Wenn die Autobahn auf dem Moselsporn gebaut wird, das heißt dort drüben«, wütend zeigte er auf den hinter Erden ansteigenden Höhenzug, der sich rechts der Mosel über Zeltingen bis nach Bernkastel erstreckte, »dann sind die Weinlagen da drüben in Gefahr. Haben Sie mal über den Wasserhaushalt eines Bergs nachgedacht, haben Sie das? Ihr Freund, mein Chef, der macht übrigens auch mit, er hilft – mit Geld. Frau Ludwig steht da drüben und verkauft selbstgebackenen Kuchen, haben Sie die nicht gesehen, hinter dem Tisch? Damit erwirtschaftet sie Geld für unsere Arbeit. Nur unsere Kellerassel tut nichts, Bischof ist zu doof, nein, es gibt da einen anderen Begriff für, ich hab ihn vergessen. Ist ja auch egal. Der kapiert nur Wein. Und Sie, Sie … ach!« Klaus suchte nach einem Wort und machte zuletzt eine abfällige Handbewegung. »Und ich dachte, Sie sind anders …« Er wandte sich brüsk ab und ließ ihn stehen.
    Wieder fühlte sich Georg fehl am Platz, ausgeschlossen und missverstanden. Hatte er sich im Ton vergriffen oder der Junge? Er starrte vor sich hin und versuchte, sich zu erinnern, was er gesagt und was Klaus aufgebracht hatte. Da war ein Gefühl in ihm, das ihn lähmte: Aussichtslosigkeit, Pessimismus, und nirgends sah er Licht. Hatte er ähnlich argumentiertwie seine Frau, seine Exfrau, wie er sie insgeheim nannte, als er seine Zweifel und Bedenken in Bezug auf COS ausgesprochen hatte?
    »Ich kann da unmöglich weiterarbeiten«, hatte er gesagt.
    »Wenn du es nicht tust, macht ein anderer deinen Job und streicht dein Gehalt ein.« Zynisch war sie gewesen,

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