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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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darüber erlauben könnte und nicht nur über den Wein.
    Er konnte sich momentan gar kein Urteil erlauben, über nichts, alles, was er in letzter Zeit versucht hatte zu beurteilen, hatte sich anders dargestellt, war vor seinen Augen zusammengebrochen, mehr oder minder lautlos, oder hatte sich jeder Beurteilung entzogen, bis er hilflos vor sich selbst gestanden hatte wie vor einem blinden Spiegel, so wie jetzt vor dem Laden, in dem eine weibliche Hand, am Arm ein silberner Reif, von innen die Vorhänge zurückzog, sodass er ins Büro schauen konnte.
    Die junge Frau trat auf die Straße, nickte ihm zu, ließ ihren Blick über die Auslage des Fensters streichen, nicht angetan von dem, was sie sah, und zog sich, weil das Telefon klingelte, in den dunkleren Teil des Raums hinter einen Schreibtisch zurück.
    Ich werde zurück ins Haus gehen und den Frühstückstisch abräumen, sagte er sich, ich kann was Nützliches tun, und er fragte sich, wo die Küche war. Er vermutete sie auf derselben Etage wie das Esszimmer. Als er sich anschickte, ins Haus zurückzugehen, sah er die offene Garagentür. Er musste sie schließen.
    Sauter hatte ihm angeboten, in der Zeit seiner Abwesenheit seinen Wagen dort unterzustellen. Also würde er zuerst den Tisch abräumen, dann seinen Autoschlüssel holen und zum Fluss gehen, wo er den Wagen mangels anderer Parkmöglichkeiten abgestellt hatte. Außerdem war noch Zeug im Auto, das er brauchte  – Zeug eben, was man so mitnahm. Was würde in Zukunft überhaupt nötig sein? Was würde er brauchen, in dieser Zukunft, wenn es denn eine für ihn gab –und was war das überhaupt – Zukunft? War es mehr als ein Sich-Durchhangeln, ein Taumeln von einem Ereignis zum nächsten, auf das man selbst keinerlei Einfluss hatte? Er hatte das Gefühl, dass sich seine Zukunft lediglich auf die nächste halbe Stunde erstreckte; was darüber hinausging, war weder denkbar, noch entstand in ihm irgendeine Art von Vorstellung noch ein Wunsch. Sie ist weiß, diese Leere in mir, dachte er, und er war froh, dass er zumindest davon eine Vorstellung hatte. Sonst hätte er geglaubt, er sei tot, hier mitten zwischen diesen schönen alten Häusern, zwischen Menschen, die ihn grüßten, obwohl sie ihn nicht kannten. Hätten sie gegrüßt, wenn sie gewusst hätten, wie es in ihm aussah, dass man nichts in ihm sah?
    Mach dich nützlich, sagte er sich, warf noch einen Blick ins Büro mit den vergilbten Fotos, wo die Frau, zu der der bereifte Arm gehörte, herumwuselte, den Telefonhörer am Ohr. Er ging ins Wohnhaus zurück, stieg die steile Treppe hinauf und wandte sich dem Esszimmer zu. Erstaunt stellte er fest, dass der Tisch abgeräumt war, nur die Zeitung lag auf der dunklen, gemaserten Holzplatte. Er las von neuem den Artikel über den Ertrunkenen.
    Wieso hatte Sauter so uninteressiert auf die Meldung reagiert? War der Tod eines Winzerkollegen für ihn bedeutungslos? Kannte er den Mann so wenig, dass ihn sein Tod nicht berührte und er sich stattdessen über Wetterphänomene ausließ? Er hatte den Artikel nicht durchgelesen, das Foto keines Blickes gewürdigt und sich in seinen Planer vertieft. Hielten ihn die Probleme mit seinem Weingut in Italien derart gefangen, dass er für nichts anderes offen war? Sauter hatte den Mann doch gekannt, er wusste, dass er viel trank. »Jemand wie Albers kennt sich aus«, hatte er gesagt, »der geht nicht zu nah ans Wasser. Der ist am Fluss aufgewachsen …«
    »Guten Morgen!«
    Der freundlich ausgesprochene Gruß ließ Georg zusammenfahren, als fühlte er sich bei etwas Verbotenem ertappt.In der Tür stand eine kleine, zierliche Frau, die ihn neugierig betrachtete.
    »Ich bin Frau Ludwig, ich halte hier den Laden in Schuss«, sagte sie in einem Ton zwischen Stolz und Selbstverständlichkeit. »Herr Sauter hat mir erzählt, dass wir Besuch bekommen. Sie müssen unser Gast sein, Herr Hellberger aus Hannover!?«
    Sie machte zwei Schritte auf ihn zu und hielt ihm ihre kleine Hand hin, mit der sie beherzt zugriff.
    Vom Auftauchen der Haushälterin überrascht, wusste Georg nicht, was er sagen sollte. Er brachte gerade noch ein gequältes »Ja« heraus, um gleich darauf wieder stumm zu werden. Es wäre ihm lieber gewesen, niemanden anzutreffen, er fürchtete, dass jeder ihm seinen Zustand der Hilflosigkeit ansah. Einmal mehr dachte er, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf die Einladung eingelassen zu haben.
    »Ich werde mich um Sie kümmern, solange der Chef in Italien ist. Wenn Sie

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