Tödlicher Vatertag
auf der Grabstelle ab. Feuchter Lehm und bröselige Erde vermischten sich dort, und beides geriet in Bewegung, als etwas aus der Tiefe stieg, nachdem es dort genügend Kraft gesammelt hatte. Es kam höher und höher, wühlte immer mehr Erde auf, so daß einzelne Krumen schon vom Grab rollten. Dann durchstieß es den Boden. Es war eine Hand!
Bleich, mit einer dünnen, manchmal gerissenen Haut versehen und vom Mondlicht gespenstisch angestrahlt, so drang sie aus der Tiefe des Friedhofs an die Oberfläche. Sie blieb für eine Weile in dieser Haltung, bevor sich die Finger bewegten, manchmal eine Faust bildeten, sich danach streckten, als wollte der lebende Tote die Geschmeidigkeit seiner einzelnen Finger prüfen.
Er war zufrieden, denn die Hand schob sich weiter, und ein Teil des Armes wurde sichtbar.
Ein Arm, der ebenfalls noch nicht verwest war und an dem sehr deutlich die Sehnen unter dem dünnen Fleisch und der zart wirkenden Haut zu sehen waren, wenn sie zuckten.
Dreck und Schmier hatten ebenfalls eine Schicht gebildet, die auf der Haut lag und ebenfalls am Ärmel des Totenhemdes klebte, das irgendwann einmal weiß gewesen war, jetzt aber grau, stockig und fleckig wirkte.
Ein Toter wollte raus!
Mit der Schulter stemmte er sich gegen das schwere feuchte Erdreich, so daß auf der Oberfläche des Grabes einiges in Bewegung geriet und die Erde zu beiden Seiten der letzten Ruhestätte wegrutschte. Schulter und Kopf erschienen!
Ein schreckliches Gesicht. So bleich, wie man es kaum beschreiben konnte, beschmiert mit Dreck und Lehm, einem schiefen Mund, aber noch nicht verwest, so daß bleiche Knochen hervorgetreten wären. Die magische Kraft, die diesen Toten in den Klauen gehalten und beschützt hatte, schien ihn auf eine gewisse Art und Weise konserviert zu haben. Und er kam weiter. Noch stand er bis zu den Hüften in der feuchten Graberde, schüttelte den Schädel, so daß aus den fahlblonden Haarsträhnen der Dreck geweht wurde.
Ein Zombie war gekommen. Und dieses schlimme Wesen breitete die Arme aus, um sich rechts und links seiner Grabstätte auf dem härteren Boden abzustützen.
Er benötigte noch einen allerletzten Anlauf, um auch die Beine aus dem Erdreich ziehen zu können.
Beim ersten Versuch sackte der lebende Tote wieder zurück. Da wirkte der Boden wie ein Sumpf, der alles umklammern wollte, so daß der Zombie Mühe hatte, sich zu befreien.
Es klappte beim dritten Versuch.
Er war frei!
Den Mund öffnete er weit. Ein erstes Stöhnen drang hervor und unterbrach die Stille des Friedhofs. Es hörte sich triumphierend an, denn dem Zombie gelang es gleichzeitig, auch seinen rechten Fuß aus der Erde zu ziehen. Er hatte freie Bahn.
Für einen Moment blieb er noch neben dem Grab knien, dann schüttelte er den Kopf, als wollte er sich selbst etwas beweisen. Ruckartig stand er auf.
So blieb er stehen.
Der Untote hatte Mühe, sich auf den Füßen zu halten. Als würde ein Orkan über ihn herfallen, so blieb er neben dem Grab, schwankte nach vorn, auch nach hinten, aber er fiel nicht, sondern ging die ersten Schritte nach vorn, wo er die Friedhofsmauer als Ziel anvisiert hatte. Dort fiel er gegen.
Mit den Händen stützte er sich ab, bevor er eine Hand löste und mit fünf Fingern durch sein fahles und gleichzeitig mit Schmutz bedecktes Haar wischte.
Die letzten Käfer, die sich bisher noch an den Fetzen seines Totenhemds geklammert hatten, flohen und verschwanden zwischen den Bodengewächsen.
Nach wie vor stand der Mond am Himmel.
Ein Gestirn, das Licht aussandte und dafür Sorge trug, damit auch höllisches Leben allmählich erwachte und die entsprechende Kraft bekam, um existieren zu können.
Erich Buchwald, vor einem Jahr auf grausame Art und Weise gestorben, drehte sich um.
Sein stierer, lebloser Blick fiel auf die beiden anderen Gräber, die neben dem seinen lagen.
Auch dort tat sich etwas.
Wie schon bei ihm, waren es zuerst die Grabsteine, die den Druck aus der Erde bekamen und aus ihrer Ruhelage gebracht wurden. Sie fielen ebenfalls um, so daß die Hände freie Bahn bekamen, um aus der Erde zu stoßen.
Krallen erschienen, Schultern, Köpfe…
Es war der gleiche, unheimliche Vorgang wie auch bei Erich Buchwald. Und so verließen Claus Binussek und Jerome Woeber ihre Gräber, ohne daß sie aufgehalten wurden.
Claus Binussek besaß die größeren Kräfte. Er stemmte sogar mit beiden Händen seinen Grabstein noch ein Stück zur Seite, um erst danach den Kopf aus dem Boden stecken zu
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