Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
habe es gewußt: Phyllis’ Entschluß, sich ein ganzes Jahr auf diese Weise aus dem Verkehr zu ziehen, war Irrsinn. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir beide sie wiederholt und immer nachdrücklicher davor gewarnt, sich in Oxford einzumauern, weil sie dann einfach als eigenständiger Mensch zu existieren aufhört. Anscheinend ist genau das passiert.«
    »Und doch glaube ich, ich verstehe Phyllis sehr gut«, sagte Kate und nahm einen Martini. »Das ist auch der Grund, warum ich sie für eine oder zwei Wochen besuchen möchte, falls du keine leiden-schaftlichen Einwände hast. Sie war in erster Linie gar nicht auf einen Ortswechsel oder einen längeren Urlaub aus. Sie war einfach seit Jahren in die Idee vernarrt, einmal nach Oxford zu kommen.
    Genau wie ich. Irgendwie erwartet man immer, in Oxford den Tag bei geheimnisvollen Dinners mit Figuren wie aus einem Roman von Michael Innes zu beenden. Natürlich ist es völlig anders. Aber wenn jemand käme und mich auch heute noch zum Dinner an die hohe Tafel der Oxford-Professoren einladen würde, ich wäre schnell wie der Blitz – quer über den Atlantik. Wahrscheinlich ist es Phyllis genauso gegangen. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie in Oxford nur immer als Hughs Frau unter Menschen käme, und auch das nur selten. Lehrer in Oxford behandeln ihre Frauen, wie die meisten Amerikaner ihre Geliebten behandeln – als eine Art peinlicher Not-wendigkeit. Und doch, obwohl ich das alles weiß: Hätte ich einen Wunsch frei, dann würde ich gern eine Zeitlang in einem Oxford-College an der hohen Tafel dinieren, ein Schwätzchen im Senior Common Room führen und einen Portwein im Ge-meinschaftsraum trinken.«
    »Du bist unheilbar romantisch«, sagte Reed, »und du kannst Portwein nicht ausstehen. Aber ich finde nichts Schlechtes dabei, seine Träume zu leben, und sei es nur, um festzustellen, daß nie ein Fünkchen Wirklichkeit an ihnen war. Ich hoffe jedoch, Kate, ich hoffe ganz ernsthaft, daß du nun nicht nach Oxford gehst, um wie verrückt dieser Schriftstellerin nachzujagen, über die deine Studentin ihre Arbeit schreiben wollte. Oh, mein Gott, ich sehe schon, genau das hast du vor. Du wirst ohne Zweifel herausfinden, daß sie ihre 65

    ganze Oxford-Laufbahn über zweitklassige Poesie geschrieben, auf Parties herumgestanden und Reden gehalten hat und dann mit einem drittklassigen Abschluß entlassen worden ist, nachdem sie bei der mündlichen Prüfung mit den Professoren geflirtet hat.«
    »Also«, sagte Kate mit einfältigem Gesicht, » ich wäre von mir aus nie auf solch einen Gedanken gekommen. Aber mir ging durch den Kopf, daß ich, wenn ich schon hinfahre und Phyllis helfe, sich der englischen Wirklichkeit zu stellen, den Dingen auf den Grund gehen könnte, soll heißen, dem Somerville College, wo Cecily Hutchins und Dorothy Whitmore und Max’ Mutter vor mehr als einem halben Jahrhundert ihr letztes Trinity-Semester hinter sich brachten.
    Weißt du, Reed, sie sind unter den Blicken der zwölf römischen Kaiser mit dem Rad die Broad Street entlanggefahren, sie haben die Karpfen im Teich an der Christ Church gefüttert und unter den gro-
    ßen Blutbuchen im Wadham-Garten gesessen. Irgendwie möchte ich gern auf ihren Spuren wandeln.«
    »O Gott«, sagte Reed, »und das nach einem einzigen Martini. Ein wirklich schlimmer Fall. Kann es sein, daß Anfälle von Anglophilie wie eine Vergiftung immer schlimmer werden?«
    Welche Antwort Kate auf der Zunge lag, wird man nie erfahren, denn in dem Augenblick kam Leo ins Wohnzimmer. Er ließ sich sofort, wie gewohnt, in einen Ohrensessel fallen und streckte sich darin aus, als wäre es ein Sofa. Es sah aus, als posiere jemand schmerzgeplagt für eine Statue von Michelangelo, und Leos Gesichtsausdruck verstärkte das noch. Gewöhnlich ließ sich Leo weder um diese Zeit noch auf diese Art daheim sehen. Vor dem Essen (wenn er denn da war) pflegte er zu schlafen, zu telefonieren oder eine Coke zu trinken und damit die Kalorien auf ihre süßeste und todbringende Form zu sich zu nehmen. Alkohol trank er, wenn überhaupt, nicht vor den Mahlzeiten und auch nicht in Gegenwart von Kate und Reed.
    Energisch verbot sich Kate die Frage, ob irgend etwas nicht in Ordnung sei. Leos Erscheinen sprach für sein Bedürfnis nach einem Gespräch, und eine direkte Frage hätte alles kaputtgemacht. Es herrschte ein langes Schweigen, nur unterbrochen vom Geklapper der Eiswürfel in Reeds Cocktail-Shaker.
    »Ist es nicht illegal, jemanden im

Weitere Kostenlose Bücher