Toedliches Erbe
mal, da ist ein Raum voller Jungs aus den verschiedensten Schulen der Stadt, die den Test machen. Du unterschreibst mit deinem Namen und füllst ein Formular aus. Der eine muß also so schreiben lernen wie der andere. Wer soll das herauskriegen? Das ist nur eine Art zu schwindeln. Einfacher ist das bei den Leistungs-nachweisen. Du sagst, du willst vier Fächer: Geschichte, Mathe, Französisch, Chemie. Dann konzentrierst du dich die ganzen vier Stunden nur auf ein Fach, streichst die Punkte für die anderen, was erlaubt ist, und hattest so vier Stunden für einen Test, für den andere Leute nur eine Stunde kriegen. Ich kenne einen Typ, der das gemacht hat, und jemand hat es herausbekommen, aber das College Board hat nichts unternommen. Sie können es sich nicht leisten. Sie haben ein 70
Monopol und wollen nicht, daß es Wirbel gibt.«
»Leo«, sagte Kate. »Wollen wir mal gerade die Schwindelme-thoden bei den Tests beiseite lassen, obwohl ich später darauf zu-rückkommen will und dann sicher hysterisch werde. Im Moment sind wir bei den SAT’s. Du sagst, daß einer sie für einen anderen schreiben und man das nicht verhindern kann. Werden diese Tests denn nicht überwacht?«
»Nein. Natürlich hat der erste Bursche die Unterschrift des zweiten gefälscht und ist an seine Stelle getreten.«
»Ist Harvard denn nicht mißtrauisch geworden angesichts der plötzlich gestiegenen Punktezahl dieses Jungen, den wir vielleicht mal Ricardo nennen?«
»Eigentlich nicht. Manchmal passiert so etwas eben. Außerdem hat Ricardo zur gleichen Zeit angefangen, seine schreibende Groß-
mutter ins Spiel zu bringen, und er ist ein ziemlich gewiefter Kerl –
er redet so, als wäre er selbst gerade dabei, einen großartigen Roman zu schreiben. Er ist gut in Englisch, und die Englischlehrer mögen ihn und wissen nicht, was für ein beschissener Typ er ist. Von seiner Großmutter haben natürlich alle gehört. Sowie Harvard diese neue SAT-Punkteliste hatte, war alles o.k.«
»Kann es sein, daß ich in meinem eigenen Wohnzimmer dahin-terkomme, warum es unter den Anwälten so viele Schurken und Dummköpfe gibt?« sagte Reed. »Kann man sich etwa auch bei den Tests für die juristische Fakultät ›vertreten‹ lassen?«
»Langsam, Reed«, sagte Leo. »Das habe ich mich natürlich auch gefragt. Aber da nehmen sie deine Fingerabdrücke. Keine Chance.«
»Weißt du was?« sagte Kate. »Leo mag feixen, wenn er will, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß so etwas am Theban passiert.«
Zu ihrer Überraschung stimmte ihr Leo zu, wenn er auch sonst ihre Reden über die Vorzüge des Theban nicht mehr hören konnte.
»Das genau ist es, was wir kapiert haben. Einige von uns«, fügte er düster hinzu. »Die ganze Schule war von Anfang an ein einziger PR-Trip – Erfolg war das einzige, was zählte, glatt durchkommen, gute Zensuren, cool bleiben. So was mußte ja passieren.«
»Da kommen mir doch so einige Fragen«, sagte Reed. »Um mit der unwichtigsten anzufangen: Wer ist beziehungsweise war Ricardos Großmutter?«
»Cecily Hutchins«, sagte Kate.
»Großer Gott. Das hätte ich mir wohl denken können. Wer sonst in Anbetracht der Familie Fansler?«
71
»Ich verstehe wirklich nicht, was du mit dieser Bemerkung meinst«, sagte Kate.
»Ich auch nicht«, stimmte Reed ihr zu. »Langsam begreife ich, wenn wir einmal den Anfang unseres Gesprächs beiseite lassen, Leo, dann hat die ganze Sache mit der elektronischen Überwachung von Umkleideräumen zu tun. Wir kommen darauf so sicher zurück wie MacArthur auf die Philippinen. Aber was geht dir nun so auf den Keks, wenn du mir den Ausdruck verzeihst? Daß jemand gemogelt hat, daß das System nicht funktioniert, daß Jungen, die du lieber magst, nicht auf das College gehen können, das sie sich gewünscht haben, weil sie ehrlich waren? Worum geht es eigentlich?«
»Wenn du anfängst, wie ein in die Jahre gekommener Rockstar zu reden, weigere ich mich, die Unterhaltung fortzusetzen«, sagte Kate, »oder zuzulassen, daß du sie fortsetzt. Obszönitäten bin ich bereit zu überhören, aber ein bestimmter Jargon ist verboten. Absolut verboten.«
»Gott im Himmel«, sagte Leo. »So ein Scheiß.«
»Glaubst du, du solltest etwas unternehmen?« fragte Reed.
»Ich weiß, du meinst, ich sollte nicht«, sagte Leo. »Alle meinen, niemand sollte etwas unternehmen. Einer hat behauptet, das sei an allen Vorbereitungsschulen so üblich. Aber es ist nicht richtig, daß Finlay mich angelogen
Weitere Kostenlose Bücher