Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
einer Ecke meines Innern habe ich mich immer wieder gefragt: Hätte er seine Kurse auch abgesagt, wenn sie einen Herzanfall gehabt hätte?
    Die Antwort lautete natürlich nein. Er wäre auch besorgt gewesen und hätte alte Vorlesungstexte genommen, um möglichst viel Zeit für sie zu haben, aber er hätte begriffen, daß eine Absage seiner Veranstaltungen überhaupt nichts gebracht hätte. Die Professorin dagegen machte sich Sorgen darum, wie herzlos es wirken würde, wenn sie ihrer Arbeit nachging wie immer. Sehr unfraulich.«
    »Stimmt genau. Fahr nach England. Und denk daran, du kannst, wenn es sein muß, in zehn Stunden zurück sein. Würdest du zögern, nach St. Louis zu fahren?«
    »Allerdings. Was könnte einen denn nach St. Louis ziehen?«
    »Aha, das klingt wieder mehr nach dir selbst. Erzähl mir von Max.« Und als Kate ihm alles erzählt hatte, meinte er, es gebe keinen besseren Ort, um jemandes Papiere aufzubewahren, als Wallingford, auch wenn man dort ein bißchen an altmodischen Traditionen hänge.
    Warum rief Kate nicht einfach den Burschen an, der für Cecilys Papiere verantwortlich war, und plauderte ein wenig mit ihm über dies und das?
    76

Sieben

    A ls Kate zwei Tage später Mr. Sparrow, den Bibliothekar von Wallingford, zum Lunch traf, entpuppte sich dieser, wie nicht anders zu erwarten, als eleganter und zudem, eher unerwartet, junger Mann.
    Erwartungsgemäß verfügte er über Witz und Manieren und, eher verblüffend, über liberale Ansichten. Kurzum, er war, in Anbetracht der Umstände, ein Phänomen und eine angenehme Überraschung.
    »Sie können sich nicht vorstellen«, sagte er zu Kate, deren Einladung zum Lunch er bereitwillig und eher geschmeichelt als schüchtern angenommen hatte, »wie sehr ich Cecily Hutchins schon seit Jahren bewundert habe. Ich hatte so sehr gehofft, mit dem Angebot der anderen Bibliothek mithalten zu können – ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr. Nicht, daß es zu einer Auktion der Papiere gekommen wäre – so etwas ist in New Yorks feiner Bücherwelt nicht üblich. Doch die Erben wollten Geld, und Mr. Reston wollte uns, und so war klar: Konnten wir das Geld auftreiben, dann hatten wir gewonnen. Wie Sie sich sicher denken können, träume ich von einem unveröffentlichten Roman, den wir wohl kaum finden werden. Was ich allerdings gefunden habe und Ihnen gleich zeigen werde, ist ein autobiographisches Fragment. Köstlich. Es ist nur eine Skizze, hat aber eine wunderbare Ausstrahlung. Meiner Meinung nach müßte es eines der ersten Stücke sein, die publiziert werden. Mr. Reston ist damit einverstanden.«
    »Hat er Sie nicht gebeten, ihn Max zu nennen?«
    »Nein, das hat er nicht, und das ist auch gut so. Mit prominenten Namen Eindruck schinden und sich nach kurzer Bekanntschaft beim Vornamen nennen sind zwei Unarten, die in Wallingford zum Glück Mißfallen erregen. Ich hasse es, Anthony oder, noch schlimmer, Tony gerufen zu werden, und das von Leuten, die ich kaum kenne –
    vor allem, weil mich niemand, der mich wirklich kennt, jemals so nennt. Man nennt mich Tate, wegen meiner Jugendbegeisterung für dieses Museum, das ich eines Sommers mit meiner Familie in London erlebt habe.«
    »Damit ist das geklärt. Wir bleiben auf alle Fälle bei der förmli-chen Anrede. Kate – Tate, das klingt zu sehr nach einem Kinder-reim.«
    »Mich erinnert es eher an Limericks.«
    »Aber die Hutchins ist für mich immer nur ›Cecily‹«, sagte Kate.
    77

    »Dabei ist sie alt, berühmt und tot.«
    »So geht es mir auch. Man kann einfach nicht anders, wenn man mehr als zwanzig Jahre eine enge Beziehung zu ihr hat. Elf Jahre war ich, als ich das erste Buch von ihr las. Es war der Roman einer Familie, die ihren Sommer bei Freunden in Frankreich verbringt.
    Lauter Mädchen und nur ein einziger elf Jahre alter Junge. Das war natürlich ich. Doch bevor ich das Buch ausgelesen hatte, war ich auch jede andere Figur darin. Das Großartige an Cecily ist, daß ihr letzter Roman auch ihr bester ist – nicht gerade der Normalfall, wenn jemand dreiundsiebzig ist. Kein Wunder, daß sie immer berühmter wurde.«
    »Ein bißchen geholfen hat dabei wohl auch das aktuelle Interesse an Schriftstellerinnen.«
    »Na ja, wir konnten in Amerika schließlich nicht auf ewig den männlichen Helden auf Großwildjagd anbeten. Haben Sie Erbarmen.«
    »Ich hatte eine Studentin«, sagte Kate und vermied es, konkreter von dem toten Mädchen zu sprechen, »die an dieser Generation in Oxford sehr

Weitere Kostenlose Bücher