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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Ende. Dort stand, sauber gestapelt, eine erstaunliche Anzahl Pappkartons. »Jeder ist für sich geordnet«, sagte Sparrow, »die Korrespondenz mehr oder weniger alphabetisch, Manuskripte, Arbeits-journale. Alles von Anfang an gesammelt. Als sie nach Amerika ging, hat sie offensichtlich alle frühen Sachen mitgenommen, der Himmel weiß, warum. Heute sind wir froh, daß sie es getan hat.
    Unter uns gesagt, der Gutachter war vor Bewunderung völlig aus dem Häuschen.«
    »Wenn alles so gut geordnet ist«, sagte Kate, »müßten die Briefe an und von Dorothy Whitmore im letzten Karton sein. Ich nehme kaum an, daß sich am Ende des Alphabets die Korrespondenz plötzlich häuft, weil eine Menge ihrer Briefpartner mit Y oder Z beginnen.«
    »Ich höre immer nur Whitmore. Wieso eigentlich? Und ich dachte, Sie lechzten danach, mein autobiographisches Fragment zu sehen.«
    »Das tue ich ja«, sagte Kate. »Ich lechze. Wirklich, ich möchte mich hinsetzen, so tun, als säße ich in der Bodleian, und es sofort von Anfang bis Ende durchlesen, wenn Sie erlauben. Darf ich einen Blick auf die Briefe an Sie-wissen-schon-wen werfen?«
    »Eigentlich nein. Aber weil Sie es sind, lasse ich Sie einen Blick darauf werfen, damit Sie sehen können, wie ordentlich alle damit umgegangen sind – von Cecily über den lieben, sorgfältigen Max, den Gutachter und die Packer bis zu uns wunderbaren Wesen, natürlich. Das hier sind die Whitmore-Briefe – es sind nicht besonders viele, schließlich waren sie während ihrer Jugend meist zusammen und haben sich deswegen nicht geschrieben.«
    »Was passierte, als Cecily nach Amerika ging?«
    »Die arme Whitmore starb bald darauf. Sie war erst achtunddrei-
    ßig oder so. Hodgkinsche Krankheit. Offenbar haben sie sich ge-80

    schrieben, wenn sie getrennt waren, aber man merkt, daß das nicht oft der Fall war. Wir haben auch Cecilys Briefe, die man ihr nach dem Tod von Dorothy Whitmore zurückgegeben hat. Vielleicht ein Dutzend von jeder.«
    »Ich werde mich bald Ihnen zu Füßen werfen und Sie bitten, sie mir anschauen zu dürfen. Ich wüßte gern, was sie für die Studentin, die ich erwähnte, für eine Bedeutung gehabt hätten. Aber jetzt werde ich mich über die Autobiographie hermachen, wenn ich darf.«
    »Sicher. Vielleicht können Sie mich in meiner Meinung bestärken, daß es ein seltenes Stück ist und wert, publiziert zu werden. Ich lasse Sie damit allein.«
    Kate war allein in dem stillen Raum mit etwas, was eindeutig der Entwurf einer Autobiographie war. Aber wie Sparrow gesagt hatte, schien hinter den bloßen Fakten der Sinn dessen unterzugehen, was das Leben für Cecily bedeutet hatte, von den frühesten Tagen bis zu den letzten. Es gab keine einzige überraschende Feststellung, trotzdem übertrug sich das Gefühl von enormer Leidenschaft hinter ihren klaren und bestimmten Worten. Kate dachte an Eliots Verse:
    »Und für was die Toten keine Worte haben, solange sie leben.
    Das können sie dir erzählen, wenn sie tot sind: Die Sprache der Toten hat Feuerzungen
    über die Sprache der Lebenden hinaus.«

    Die Gefühle, die der Text auslöste, hatten sicher damit zu tun, daß die Frau, die das geschrieben hatte, nun tot war. Kate las das Fragment zu Ende und blätterte noch einmal zum Anfang zurück, auf der Suche nach einer Erklärung für ihren Eindruck. Die Stationen in Cecilys Leben waren deutlich genug. Sie war 1900 geboren als Tochter eines nicht mehr ganz jungen außerordentlichen Professors an einer walisischen Universität, der, nachdem seine erste Frau gestorben war, wieder geheiratet hatte – eine Studentin, glänzend begabt und von diesem eigentümlichen Liebreiz, den man anscheinend nicht beschreiben kann, ohne auf den Vergleich mit einem wilden, verschreckten Fohlen zurückzugreifen. Die Söhne aus Hutchins erster Ehe waren erwachsen, schon aus dem Haus und der jungen Frau dankbar, daß sie ihnen Gewissen und Leben erleichterte und ihren Vater aus der schmerzlichen Einsamkeit befreite. Cecily war das einzige Kind aus dieser Verbindung, und beide behandelten sie, als sei sie ein Zauberwesen, das sich, wenn man es rauh behandelte, 81

    womöglich in Luft auflösen könnte. Sie war – und blieb auch später
    – zart, schlank bis an die Grenze zur Zerbrechlichkeit. Gleichzeitig besaß sie eine besondere Vitalität. Sie bewegte sich gern, liebte vor allem Wandern und Schwimmen, was sie bis zuletzt beibehielt.
    Wenn sie nicht, wie das bei Einzelkindern fast unvermeidlich ist, mit

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