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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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ein paar Briefe.
    Reed berichtete, daß sich in der Affäre am St. Anthony’s Erstaunliches getan habe: Finlay und Ricardo seien schließlich zum Direktor gegangen und hätten die ganze Sache zugegeben. Das Kollegium bestand darauf, daß der Direktor Harvard über die Fakten, oder, wie man weiterhin sagte, die angeblichen Fakten informierte.
    Über Leo und seine Freunde werde in einer Weise geredet, die nach Reeds Meinung Leo ziemlich zusetzte, aber er würde es schon überleben. Reed glaubte, für Leo werde sich jetzt alles zum Guten wenden, und er, Reed, freue sich schon ziemlich auf ihre Rückkehr.
    Mr. Sparrow berichtete von seiner neuen Ausstellung in der Bibliothek von Wallingford und wie gut Max mit den Papieren voran-kam. Außerdem ließ er Kate wissen, wie sehr er es bedaure, daß sie als Frau All Souls nicht betreten dürfe.
    Phyllis und Hugh planten eine Europareise und würden im Herbst wieder in die Staaten fahren. Phyllis war so offensichtlich begierig, in ihre gewohnte Umgebung zurückzukehren, daß sie sogar den Wundern von Griechenland, die sie schon immer hatte erleben wollen, nur trüben Auges entgegensah.
    Als ihre zwei Wochen zu Ende waren, nahm Kate sich einen Wagen nach Heathrow und flog in einer 747 nach Hause. Im Ge-päckfach über ihr lagen ein besonders schöner Pullover für Reed, ein altes Jagdhorn für Leo, dem nur mit viel Luft Töne zu entlocken waren, und Notizen zu sämtlichen Papieren der Whitmore.
    Inzwischen hatte sie außerdem eine Theorie entwickelt, von deren Richtigkeit sie bei aller Vorsicht im wesentlichen überzeugt war.
    Max hatte einen Mord begangen, um die schmachvollen Umstände seiner Geburt zu verheimlichen, und was in aller Welt sollte sie jetzt unternehmen?
    129

Dreizehn

    S chließlich redete sich Kate bei Reed alles von der Seele. Nach nur vierundzwanzig Stunden Beschäftigung mit den inzwischen eingetroffenen Briefen und Nachrichten hatte sie den ganzen Haufen liegengelassen und war mit Reed in die Hütte in den Berkshires geflohen. Das Gras war üppig gewachsen, seit sie es im frühen Frühjahr gesehen hatte, und wenn der Wind hindurchfuhr, wogten die Halme wie das Meer. Kate hatte gar nicht bemerkt, wie erschöpft sie war, wie intensiv sie in Oxford wieder die junge Frau aus längst vergangenen Tagen geworden war, wie unermüdlich sie durch die Straßen von Oxford gewandert und geradelt war, immer auf der Suche nach einem Gedanken, einer Erinnerung oder der immer wieder neuen freudigen Überraschung beim Betreten eines so schönen Gartens wie dem des New College. Sie war unbeschreiblich erleichtert, daß sich hier in den Berkshires niemand um irgendwas gekümmert hatte, daß Büsche und Bäume um die Wette wuchsen und wu-cherten – soweit dieses Bild überhaupt auf das Pflanzenreich übertragbar war. »Sieht fast aus wie der Dschungel von Neuguinea«, hatte Reed angeboten, während sie gemächlich ins Innere der Hütte und dort von einem zusammengebrochenen Sessel zum nächsten wanderten und ihnen noch ein paar müde Metaphern durch den Kopf gingen. Auch Reed hatte unter großem Arbeitsdruck gestanden, und Kate kam es vor, als hätte ihnen jemand die Stöpsel aus den Fußsohlen gezogen und alle Energie ströme nun aus ihnen heraus.
    Ob es an der Trägheit dieses Lebens lag oder an ihrer besonderen Nähe zueinander oder an der zarten, tastenden, suchenden Art ihres Gesprächs – jedenfalls hörte Reed sich die Theorie über Max ohne seine üblichen spitzen Kommentare zu Kates hochfliegenden Speku-lationen an.
    »Du hast das gefunden, was uns in wirklichen Kriminalfällen so gut wie nie begegnet«, bemerkte er. »Ein subtiles Motiv. Wie es sich für euch Literaturmenschen gehört. Und wirklich sehr neunzehntes Jahrhundert: die Geschichte seiner niederen Herkunft verbergen…
    Wenn seine Bücher nur halb so großartig sind und eine Art Kodex der wahren Werte festlegen, wie du sagst, vermute ich, daß er wirklich alles tun würde, um seine ärmliche Herkunft durch eine gute Geschichte reinzuwaschen. Es ist ja ein dreifacher Schlag für ihn: Er wurde nicht nur adoptiert, was heutzutage keine so schreckliche 130

    Sache mehr ist. Er weiß nicht nur, daß er unehelich geboren wurde, was gesetzlich und größtenteils auch gesellschaftlich heute ebenfalls kein Problem mehr ist; er weiß auch noch, wer seine Eltern waren oder zumindest, aus welchen Schichten, und das gefällt ihm überhaupt nicht. Immer vorausgesetzt, daß das, was du so munter vermu-test, auch

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