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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Punkt war
    – und mußte sein –, daß er nach London zurückgekehrt war, die Whitmore wiedergetroffen hatte und ihr Liebhaber geworden war.
    Warum hatten sie nicht geheiratet? Vielleicht paßte ihr eine Heirat nicht ins Konzept. Vielleicht war der Mann schon verheiratet, und die Geschichte war nur das trunkene letzte Aufflackern einer Kriegs-122

    romanze. Vielleicht gehörte sie auch zu diesen unabhängigen Frauen, die ein Kind haben wollten, aber keinen Ehemann, und die darauf achteten, daß der Vater nichts von seinem Glück erfuhr. Fragen nach der Vaterschaft hatten oft seltsame Folgen-Die gemeinsamen Londoner Jahre der drei Frauen waren leider am wenigsten dokumentiert. Da sie sich zu der Zeit regelmäßig sahen, gab es kaum Grund, sich Briefe zu schreiben, und was sie ihren Eltern schrieben (zumindest die Whitmore), klang jetzt eher nichtssagend denn bekennerisch. Aber Moment mal, es mußten doch ein paar Kalenderdaten zu finden sein. Kate zog das ›Who’s Who‹ zu Rate. Max war 1926 geboren, sein Bruder Herbert 1922, also in dem Jahr, in dem seine Eltern geheiratet hatten (wenn auch am anderen Ende).
    Cecily war 1925 mit Ricardo nach Amerika gegangen. Wenn die drei Frauen in irgendeiner Form über dieses Thema korrespondiert hatten, müßten wenigstens ein paar dieser Briefe bei Cecilys Papieren liegen, die jetzt sicher in Wallingford verwahrt waren. Kate hatte zwar keine Beweise, hätte aber eine hübsche Summe darauf verwet-tet, daß sie weder in Wallingford lagen noch sonstwo.
    Warte einen Moment, sagte Kate zu sich selbst. Augenblick mal.
    Willst du etwa irgendwem diese höchst verleumderische Theorie vortragen? Einmal ausgesprochen, würde es sehr schwer sein, sie wieder aus den Köpfen der anderen zu vertreiben – dabei gab es nicht einmal den Hauch eines Beweises. Wirklich nicht? Die ganze Geschichte war so eindeutig, daß Kate sich zurückhalten mußte, um sie nicht gleich an der Bibliothekarin auszuprobieren. Aber man mußte sich bewußt sein, daß dies kein literaturgeschichtliches Seminar war, wo man mit Enthusiasmus die Abstammung von Shakes-peare oder Prinz Albert erforschte, oder die Autorenschaft der Briefe, die Héloïse an Abélard schrieb, klären wollte. Ihr spezielles kleines Problem dagegen hatte Auswirkungen juristischer Natur. Sie waren widerlich und schmutzig, und Gerry Marstons Familie hatte dazu vielleicht auch noch etwas zu sagen, ganz zu schweigen von der Polizei und den Gerichten. Langsam, Kate. Hast du auch nur die Spur eines Beweises?
    Während ihr Verstand Phantomen nachjagte, gingen ihr Leos Brief über Fußball und die anschließende Diskussion mit Phyllis und Hugh durch den Kopf. Hugh hatte von den unteren Klassen geredet.
    In England hatte dieser Ausdruck eine Bedeutung, die in Amerika einfach nicht vorhanden war. Dort sprach man zwar von Hausmäd-123

    chen und Dienstpersonal, von Arbeitern mit weißem oder blauem Kragen, aber nur Snobs und Dummköpfe interessierten sich dafür, was die Eltern von dem und jenem gewesen sein mochten. In England war das anders: Dort redete man von seinen Vorfahren, dort trugen die niedrigeren Klassen andere Hüte als die höheren und sprachen eine andere Sprache, und Privatschule oder nicht beeinflußte das ganze Leben. Kate erinnerte sich, in einer englischen Zeitung gelesen zu haben, daß Trainer schon unter zwölfjährigen Jungen Anwärter für künftige Fußballprofis auswählten und diese dann offen und ohne Umschweife auf eine derartige Karriere vorbereiteten. In Amerika war es offiziell nicht einmal erlaubt, daß ein Profi-Football-Team einen Jungen auf dem College auswählte. Würde ein Mann mit dem Geschmack und der konservativen Einstellung von Max einen Vater, der immerhin der jüngere Sohn eines jüngeren Sohns eines Herzogs war, gegen einen tauschen, der als Angehöriger der Arbeiterklasse in den Streitkräften gedient hatte, und gegen eine Feministin, deren moralische Grundsätze nicht gerade die passendsten waren?
    Noch einmal hielt Kate inne. Wie sah es mit einem Testament aus? Hatte die Whitmore eines gemacht? Natürlich hatte sie das, die Bibliothekarin hatte gleich am ersten Tag davon erzählt. Da gab es diese Stipendien in Somerville, die Herbert Reston erwähnt hatte.
    Dorothy Whitmore hatte die Tantiemen aus dem Verkauf ihrer Bü-
    cher im Stipendienfonds festlegen lassen, für ein Mädchen, das schon einen Beruf gehabt hatte, bevor es nach Oxford kam. Hier hatte das Schicksal eine schöne Entwicklung genommen,

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