Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
dass er nicht da war. Trotz der vielen Computer und medizinischen Überwachungsgeräte kam ihr der Raum groß und leer vor, ohne die massive, summende Konsole, die John am Leben erhalten hatte.
Und ohne John selbst. Erst jetzt merkte Susan, wie beherrschend er immer und überall gewirkt hatte, selbst als er ein hilfloses EG gewesen war.
Sie wollte sich bewegen, aber es gelang ihr nicht. Eine innere Stimme schrie: „Deine Zeit ist bald um.“ Aber es war ihr völlig gleichgültig.
Plötzlich wurde die Gegensprechanlage vom Überwachungsraum her eingeschaltet und die Stille durchbrochen. Es war der Pfleger.
„Frau Doktor, Sie haben das Protokoll vergessen. Soll ich es Ihnen hineinbringen?“
Susan erinnerte sich dunkel, dass die Ärzte und Krankenschwestern gewöhnlich das Protokoll überprüften, bevor sie hereinkamen. Es war nützlich, sich über alles zu informieren, was seit dem letzten Besuch bei jedem einzelnen EG vorgefallen war: Nicht nur was die medizinischen Werte betraf, sondern auch die Stimmung, in der sie sich befunden hatten und womit sie sich beschäftigten.
„Frau Doktor!“
Sie zwang sich, zu antworten. „Danke. Nicht nötig.“
Sie hatte eigentlich nicht sprechen wollen. Susan konnte nur hoffen, dass die Gesichtsmaske ihre Stimme so sehr verzerrte, dass der Pfleger sie nicht von Katherine unterscheiden konnte.
„Ist recht, Frau Doktor.“ Die Gegensprechanlage wurde abgeschaltet.
Das aber brachte Susan mit Gewalt wieder in die Wirklichkeit zurück. Möglicherweise blieben ihr nur noch ein paar Minuten Zeit, vielleicht sogar noch weniger. Wahrscheinlich hatte man bereits das halbe Gebäude durchsucht und irgendjemand würde früher oder später auf die Idee kommen, dass sie vielleicht in die Abteilung 2 geflüchtet war.
Susan knipste den Hauptschalter des Terminals an. Der matte Schirm der grauen Kathodenstrahlröhre wurde hell.
Sie holte tief Luft. Sie durfte nicht an das Grauen denken, das sie soeben erlebt hatte, und auch nicht daran, dass jeden Augenblick jemand hereinstürmen und sie zurückholen konnte. Und auch Gedanken an John oder an die anderen im Aufenthaltsraum durften sie nicht beschäftigen.
Einzig und allein auf den Computer kam es an. Auf der ganzen Welt gab es nichts außer ihr selbst, dem Terminal und der Zentraleinheit – und dem Problem, Johns Kennwort erfolgreich anzuwenden. Deswegen war sie hergekommen und darin bestand auch ihre einzige Chance.
Susan hörte Annette fragen: „Was ist los?“
Dann sagte Helen: „Schaffst du es?“
Die EGs sprachen Susan nicht namentlich an, um sich nicht über die Abhöranlage zu verraten, aber sie wussten, dass es weder Katherine noch Toni war. Die beiden Ärztinnenwären direkt zu ihnen gekommen und nicht zu Johns Terminal gegangen. Das letzte Mal hatten die EGs Susan gesehen, als man sie von hier weggeholt hatte. Sie fragten sich wohl, wie sie wieder hierhergelangt war, und errieten wahrscheinlich auch, aus welchem Grund sie gekommen war.
„Sprich mit uns!“
Susan hatte keine Zeit, zu antworten. Durch die offene Tür erblickte sie Rachel, ihr bleiches, mageres, fast schönes Gesicht, die an einen Heiligenschein erinnernden, glitzernden chirurgischen Zangen, den abstoßenden blauen Nylongummikragen mit den Schläuchen, die vom Stumpf des Halses zu der massiven, verchromten Konsole hinunterführten. Rachels dunkle Augen funkelten.
„Können wir dir helfen?“
Susan schenkte den Stimmen keine Beachtung und versuchte noch einmal, das Memorandum zu übertragen, zuerst mit TRIBYSADUN, dann mit BRAIN STUDY als Kennwort.
Als sie beide Male die Antwort „Ungültig“ erhielt, erinnerte sie sich dunkel daran, dass sie es schon zuvor damit probiert hatte. Keines von beiden war das richtige Kennwort.
Susan wurde wieder übel, plötzlich hatte sie das Gefühl, wieder im Meer zu versinken. Die Wirkung der Injektion ließ bereits nach; sobald sie gänzlich geschwunden war, würde sie völlig hilflos sein.
Denk nach, Susan. Du darfst nicht wieder in Panik verfallen wie beim letzten Mal. Konzentriere dich. TRIBYSADUN musste etwas sehr Wichtiges sein, weil es ein gesperrter Datensatz war. Auch daran erinnerte sie sich. Ebenso BRAIN STUDY, weil es das Anagramm war. Sie hatte ihr Ziel also fast erreicht. Vielleicht ergaben die beidenWorte zusammen das Kennwort. Sie musste es versuchen, musste ganz methodisch vorgehen, die beiden Wörter rückwärts, vorwärts, in jeder möglichen Kombination eingeben.
Wieder wurde es Susan
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