Toedliches Fieber
er Livias Geist tot dort hatte liegen sehen. Doch sie war nicht tot, jetzt nicht mehr. Oder noch nicht. Verwirrt drehten sich seine Gedanken im Kreis. Er verstand die Zeit nicht. Er verstand den Tod nicht. Er begriff nicht, warum Livia Eva hieß oder wer Livia eigentlich war. Alles, was er wusste, war,dass er Livia geliebt hatte und immer lieben würde und dass er gerade vor ihr davongelaufen war. Sethos Leontis, der furchtlose Gladiator, war vor einem Phantom davongelaufen.
Er verfluchte sich und lief los … hinaus auf den Hof, hinein in die Nacht – zum Fluss.
Abwärts
St. Magdalene’s
2013 n. Chr.
Ich schleppte mich über den Innenhof zum Biologielabor. Müde, deprimiert, schrecklich allein. Doch dann spürte ich Robs Hand auf meiner Schulter. Guter alter Rob, er wollte mir immer helfen.
»Hey.« Ich zwang mich zu lächeln.
»Eva – du siehst schlimm aus. Bist du krank?«
Wie sollte ich ihm meinen Zustand erklären?
»Keine Ahnung, einfach müde«, seufzte ich, als er die Tür zum Labor öffnete und mich in den Raum schob. Die Wärme war angenehm und ich setzte mich dankbar nach hinten. Nach vorne traute ich mich nicht mehr, weil ich Angst hatte, einzuschlafen.
Dr. Franklin kam nur wenige Minuten später und verkündete an der Tafel das neue Thema: DNA-Methylierung. Auf einmal war ich hellwach. Wir hatten uns im Zusammenhang mit der DNA zuletzt mit Epigenetik befasst, und das hörte sich nach einer coolen Fortführung an. Wenn ich nur nicht immer wieder wegdösen würde! Ich konnte mich höchstens einige Sekunden am Stück konzentrieren. Diese verfluchtenTräume. War ich vielleicht allmählich ein Fall für den Psychiater? Wochenlange Albträume waren doch nicht normal.
Ich hörte Dr. Franklins Stimme mal wieder nur aus weiter Ferne, als mich jemand sanft schüttelte.
»Aufwachen, Eva«, zischte Rob.
Ich setzte mich ruckartig gerade hin, während Dr. Franklin bereits auf uns zusteuerte.
Oh Gott, was hatte ich verpasst?
Doch im nächsten Augenblick seufzte ich erleichtert, denn sie ging an uns vorbei zur Tür. Offenbar hatte ich so tief geschlafen, dass ich nicht einmal die Klingel gehört hatte.
Langsam taumelte ich aus dem Klassenraum und versuchte mich zu erinnern, wohin ich als Nächstes musste.
»Kommst du, Eva?« Astrid kam mir auf dem Innenhof entgegen und wollte mich zum Musikflügel zerren.
»Mann, wie du wieder aussiehst!«, sagte sie mit einem Seufzer. »Wir sollten lieber nicht zu lange proben.«
Ich nickte dankbar. Am liebsten hätte ich die Probe ganz sausen lassen, aber ich hatte schon die letzten drei Male geschwänzt. Mittlerweile konnte sich niemand mehr auf mich verlassen, aber ich hatte nicht einmal genug Energie für ein schlechtes Gewissen.
Als wir den Proberaum betraten, lehnte Sadie an ihrem Schlagzeug. Irgendwas stimmte nicht, das sah ein Blinder. Ich sank auf einen Hocker und rang nach Luft. Mit mir war wirklich nichts anzufangen.
Astrid stand mit verschränkten Armen vor mir und sah mich ernst an.
»Eva, ich habe mit Sadie über die Band gesprochen.«
Ich hob den Blick und machte mich auf was gefasst. Sie wollten mich bestimmt rauswerfen, was ich ihnen nicht einmal verübeln konnte. Ich brachte es einfach nicht mehr, behinderte sie nur. Ich schluckte und lächelte matt.
»Hey, Astrid, das verstehe ich doch. Kein Problem.«
Erschöpft stand ich wieder auf und ging zur Tür. Ich sehnte mich nach der Ruhe in meinem Zimmer und meinem weichen Bett.
»Wo willst du denn hin, Eva?«, fragte Astrid.
Ich drehte mich um und hielt mich am Türrahmen fest.
»Oh nein, Eva«, kicherte sie, »du hast doch nicht etwa geglaubt … haha, doch, hast du!« Sie lief zu mir, zerrte mich zurück und drückte mich wieder auf den Hocker.
»Du Dummi!«, murmelte sie. »So, du Schwachkopf, jetzt erzähle ich dir, worüber ich wirklich mit Sadie gesprochen habe. Ich glaube, unsere Songs könnten ein Keyboard gut gebrauchen.«
»Ihr wollt noch jemanden in die Band aufnehmen?«
Sie nickte.
Ich zuckte die Achseln. »Und wer soll das sein?«
»Rob Wilmer.«
Ich biss mir auf die Lippe. Mist. Warum ausgerechnet Rob? Dumme Frage – natürlich weil Rob super Keyboard spielte. Er würde perfekt passen, nur leider hatte ich schon mehr als genug mit ihm zu tun. Und ich wusste, was er für mich empfand. Keine gute Idee. Andererseits hatte ich hier gerade nicht allzu viel zu melden.
»Will er denn?«, fragte ich. Die Antwort konnte ich mir denken.
»Absolut. Wir … äh … haben ihn
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