Toedliches Fieber
gemütlich. Nach einer Stunde wachte ich schreiend auf. Die Medizin hatte nichts bewirkt, außer dass meine Albträumen noch schlimmer wurden – jetzt war ich auch noch gelähmt und konnte nicht mehr weglaufen. Ich stand auf und trank ein Glas Wasser. Dann lehnte ich mich ans Waschbecken. Das war alles gar nicht gut.
Erschöpft nahm ich ein Buch und bereitete mich auf eine weitere schlaflose Nacht vor.
Der Geist
Parallon
Seth wusste nicht, wo er Trost finden könnte, doch er suchte auch gar nicht erst danach. Er strebte eher so etwas wie Gefühllosigkeit an. Das hatte schließlich schon mal geklappt und ihn eine Ewigkeit aufrecht gehalten. Doch auch damals hatte er lange gebraucht, um diesen Zustand zu erreichen. Und Matthias hatte ihm geholfen.
Er wollte nicht mehr an Matt denken. Sein Verrat hatte ihn so tief getroffen, als hätte sich eine tiefe dunkle Kluft zwischen ihnen aufgetan, die keiner von beiden überwinden konnte. Deshalb lenkte er sich mit endlosen Spaziergängen auf den stets im Wandel begriffenen Straßen von Parallon ab. Zuerst ging er instinktiv zu Zackarys Haus, doch als er vor der Tür stand, merkte er, dass er ihn gar nicht sehen wollte. Widerwillig machte er kehrt. Als er das nächste Mal stehen blieb, stand er plötzlich vor der Villa der Natalis. Und wieder konnte er sich nicht dazu durchringen, sie zu betreten. Noch mehr als früher erschien sie ihm wie ein Trugbild, wie ein bemitleidenswertes Zeichen seiner Unfähigkeit loszulassen. Seth drehte sich um und ging weiter.
Es schockierte ihn zutiefst, dass Parallon immer mehr wie das London aussah, aus dem er vor Kurzem erst zurückgekehrt war. Manchmal sehnte er sich nach den ruhigen leeren Straßen, die er bei seiner Ankunft vorgefunden hatte, als noch nicht so viele andere da gewesen waren.
Er ging weiter und immer weiter, bis er in der Abenddämmerung in eine vertraute Straße einbog und den Blick zu einem vertrauten Torbogen hob. Allerdings schimmerte der Torbogen jetzt und funkelte in glänzenden Regenbogenfarben.
Nachdem er hindurchgegangen war, stand er in dem schimmernden Innenhof der St. Magdalene’s. Er war so leer wie nie. Leise ging er zum Biologielabor und knipste das Licht an. Alles war so, wie es sein sollte, sogar das Quantenmikroskop stand an Ort und Stelle. Doch die Stuhlreihen waren leer. Er schaltete das Licht wieder aus und schloss leise die Tür. Dann ging er zum Speisesaal: Dort gab es Essen, das jedoch niemand aß. Zum Schluss trieb es ihn zu dem Gebäude, in dem sein Zimmer lag: Charles Darwin. Als er die dunkelblau lackierte Haustür aufdrückte, ertönte das typische Knarren. Seth lachte freudlos auf. Dann schlich er durch den Flur zu seinem Zimmer. Wie nicht anders zu erwarten, lag es genauso da, wie er es in London verlassen hatte. Kein Wunder, er hatte es ja selbst erschaffen. Seth setzte sich aufs Bett und vergrub den Kopf in den Händen.
Was tat er eigentlich hier? Warum quälte er sich so? Er konnte nicht in diesem Zimmer sein, ohne an sie denken zu müssen. Kaum hatte er sich hingesetzt, kamen ihm lauter Bilder von Eva in den Sinn. Genauso wäre es auch gewesen,wenn er auf seinem richtigen Bett an der richtigen St. Magdalene’s in London sitzen würde. Er stellte sich vor, sie wäre in ihrem Zimmer und würde lesen, schlafen oder unter der Dusche stehen. Er sah sie im Biologielabor vor sich, neugierig und aufmerksam. Seth musste lächeln, als er sie sich auf der Bühne vorstellte, wie sie Gitarre spielte und sang. Doch dann grub sein verräterisches Gehirn das Bild aus, wie sie reglos auf der Grabstätte lag. So still wie seine Livia dagelegen hatte, in jener dunklen Nacht in Londinium.
Er erschauerte unter dem Schmerz, den die Erinnerung mit sich brachte.
Als er seine Trauer in den leeren Raum hinausschluchzte, flackerte plötzlich ein anderes Bild vor seinem inneren Auge – Eva, wie sie im Gemeinschaftsraum neben ihm auf dem Boden saß und ihn mit ihren schönen Mandelaugen ansah … nein, sie sah ihn nicht einfach an, sie musterte ihn forschend. Er spulte die Erinnerung noch mehrmals ab, ohne ihr wirklich zu trauen. Sie konnte ihn nicht kennen, und doch … an jenem Abend hatte er etwas gesehen, dass er nicht zu deuten gewagt hatte. Hatte sie ihn vielleicht doch erkannt?
Seth stand auf, ging zur Tür und wieder zurück zum Bett. Unruhig lief er durchs Zimmer. Diese Unschlüssigkeit war er nicht gewohnt, sie lähmte ihn geradezu.
Er war aus London weggelaufen – warum eigentlich? Weil
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