Toedliches Fieber
gesamte Ablauf, Kochen besänftigte ihn. Ihm ging so viel durch den Kopf, dass er sich mit solchen Tätigkeiten beruhigen musste. Mittlerweile lief er jeden Morgen zwei Stunden und badete anschließend, ehe er Matthias weckte und mit ihm frühstückte. Danach verwandten sie mehrere Stunden auf den Englischunterricht.
Mit Erfolg, denn Seth war ein geduldiger Lehrer und Matthias wollte die Sprache unbedingt lernen und arbeitete hart. Inzwischen war sein Englisch so gut, dass er täglich mit Freuden ins Café ging.
Normalerweise brach er auf, sobald Seth mit dem Training begann. Das war für beide eine gute Lösung. Seth konnte Zuschauer nicht ausstehen und Matthias hielt es fast nicht mehr aus, ihn trainieren zu sehen. Er verstand einfach nicht, warumer es überhaupt noch tat. Seth hatte es gehasst, ein Gladiator zu sein, er hatte nie gern gekämpft. Warum machte er also weiter? Kampftechniken brauchte man in Parallon nun wirklich nicht, oder?
Es gab noch einen weiteren Grund, warum Matthias Seths unaufhörliches Training nicht ertrug. Tief in seinem Inneren befürchtete er, dass Seth noch immer Rache für Livias Tod nehmen wollte und keine Ruhe fände, bis dieser Tag endlich gekommen war. Und da Matt davon ausging, dass Seth Cassius nie wiedersehen würde, war einigermaßen klar, dass Seth bis in alle Ewigkeit gegen sich selbst ankämpfen würde.
Sie sprachen nicht mehr über Livia. Sie war zum Tabuthema geworden, genau wie Cassius und die Nacht, in der Sethos verschwunden war. Doch ihre Freundschaft hielt das aus. Im Gegenteil, sie hatte sich weiterentwickelt. Die beiden jungen Männer respektierten sich und gönnten einander genügend Freiraum.
Seths Suppe köchelte vor sich hin und verbreitete ein Aroma, das an eine andere Küche und ein anderes Leben erinnerte. Doch er verbot sich, weiter in diese Richtung zu denken. Während er Fenchelsamen auf die Bohnen streute, war er gespannt, ob Matthias zum Essen nach Hause kam. Wie aufs Stichwort hörte er die Haustür zuknallen.
»Hallo, Seth«, rief Matthias munter. »Hier riecht es ja gut!«
»Ich bin in der Küche …« Seth riss die Augen auf.
»Das sind Georgia und Clare. Ich habe sie zum Abendessen eingeladen.«
Das war das erste Mal, dass jemand sie in der Villa besuchte. Sie war ihr Kokon gewesen, ihr privates Heiligtum, doch nun hatte Matthias die Tür geöffnet und Parallon hereingelassen.
In Seth kämpfte seine angeborene Höflichkeit gegen den Schreck. Matthias gab sich ganz lässig, während die Mädchen Seth misstrauisch musterten, als sie sein Unbehagen spürten.
Doch Seth war dazu erzogen worden, die Gastfreundschaft zu ehren, und reagierte schnell.
»Willkommen in unserem Haus, Clare … und Georgia. Hoffentlich habt ihr Hunger mitgebracht.«
Die beiden nickten, sein Lächeln hatte sie verzaubert. Kläglich musste Matthias mal wieder miterleben, wie die Mädchen vor ihm dahinschmolzen. Es tat ihm fast schon leid, dass er sie mitgebracht hatte. Georgia hatte ein deutliches Interesse an ihm signalisiert, bis sie in die Küche gekommen war und seinen Freund entdeckt hatte.
Seth wandte sich wieder dem Essen zu. Er musste es strecken, schließlich wollte er nicht von vorne anfangen. Das war das Schöne an Parallon, dass man alles nach Belieben vervielfältigen konnte. Er beschloss, einen schlichten Fischgang einzuschieben: eine mit Koriander und Minze gewürzte Rotbarbe in Zitronensoße. Desserts hatte er erst im Haushalt der Natalis’ kennengelernt. Und obwohl ihn die Erinnerung schmerzte, konzentrierte er sich und sah bald den köstlichen Nachtisch vor sich, den Livia ihm einmal serviert hatte: gefüllte Datteln rund um einen Mandelkuchen. Jetzt zauberte er genau dieses Dessert herbei. DerDuft beflügelte seine Erinnerung so, dass ihm der Atem stockte.
Genau in diesem Augenblick steckte Clare den Kopf durch die Tür und sah Seths gequälte Miene.
»Äh … ich wollte nur fragen, ob ich dir irgendwie helfen kann?«
Er schüttelte den Kopf, weil seine Stimme versagte, und sie zog sich rasch zurück.
Seth atmete mehrmals tief durch und verbannte die Erinnerungen wieder in die sichere dunkle Ecke in seinem Gedächtnis. Dann schöpfte er die Suppe in Schüsselchen und brachte sie ins Esszimmer, wo die anderen bereits Platz genommen hatten. Die Atmosphäre war gespannt. Seth schwieg, doch Matthias redete ohnehin für zwei.
Kaum waren sie mit der Suppe fertig, kehrte Seth in die Küche zurück, um den Fisch zu holen. Doch als er die Teller vor
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