Toedliches Fieber
Zackarys London. Wenn er und Zackary genau zur selben Zeit zu ihrem Todeszeitpunkt zurückreisen konnten, dann liefen die beiden Zeiten doch nebeneinanderher, oder nicht? Oder gab es die jeweilige Zeit nur, wenn man in ihr anwesend war? Existierte die reale Welt, seine alte Welt, überhaupt? Was war mit Parallon? Und wo war Livia zwischen all diesen Welten und Zeiten?
Selbstverständlich musste er diese Überlegungen größtenteils vor Matthias geheim halten. Matt kannte Zackary nicht, er hatte keine Ahnung von dem Strudel und Seths neu erworbenem Wissen, und so sollte es bleiben. Diese Erkenntnisse würden Matthias nur verwundbar machen.
Falls Matthias ahnte, dass er ihm etwas verheimlichte, ließer es sich nicht anmerken. Er war so froh, seinen lebenslustigen Freund zurückzuhaben, dass er die Hintergründe gar nicht erfahren wollte.
Eines Abends, als Seth schweißgebadet und müde von einem besonders langen Lauf zurückkehrte, wartete Matthias vor dem Haus auf ihn. Er platzte fast vor Aufregung.
»Seth, ich habe gerade andere Menschen gesehen! Ganz viele!«
»Warst du etwa am Fluss?«, fragte Seth zurückhaltend.
»Nein! Ich zeige es dir … aber …«
»Was?«
»Sie hatten so komische Sachen an und sie haben ganz anders gesprochen …«
Seth seufzte.
»Lass mich schnell baden, dann sehe ich mir das an«, rief Seth auf dem Weg zum Badehaus. Als er seine verschwitzte Tunika abstreifte, fragte er sich, was Matthias wohl sagen würde, wenn er eine Dusche installieren würde.
Matthias staunte, als er wieder zum Vorschein kam. »Seth! Du bist ja so angezogen wie die anderen!«
»Wahrscheinlich wäre es besser, wenn du das auch tätest«, sagte Seth freundlich.
Matthias gehorchte mit gerunzelter Stirn und Seth zeigte ihm, wie ein Reißverschluss funktionierte und wie man einen Gürtel durch die Schlaufen der Jeans zog. Matthias war baff.
»Wann … wie hast du das alles gelernt?«, stammelte er.
Sethos war ihm eine Erklärung schuldig, aber die musste er sich erst gut überlegen.
»Das erkläre ich dir später«, vertröstete er seinen Freund.
Matthias schüttelte verärgert den Kopf, doch er wollte sich nicht streiten. Dafür war er viel zu aufgeregt. »Dann komm endlich«, sagte er und zog Seth nach draußen.
Ihre Villa lag im westlichen Teil von Parallon, noch jenseits des Tempels und der Wiese. In dieser Gegend lief Seth am liebsten. Jetzt führte Matthias ihn Richtung Osten, wo auch Cassius’ Haus lag – dieses Gebiet war Seth verhasst.
Doch noch vor der Straße mit Cassius’ Villa bog Matthias rechts ab, überquerte zwei weitere Straßen und blieb schließlich stehen. Sie standen an einem Rasenplatz. Seth wusste, dass die schimmernden Gebäude, die ihn einrahmten, aus der Zeit Eduard VII. stammten. Immer wenn neues Wissen in seinem Kopf auftauchte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Es fiel ihm schwer, sich daran zu gewöhnen. Matthias zeigte in die gegenüberliegende Ecke.
»Dahinten«, flüsterte er.
»Ein Café«, erwiderte Seth leise. Im selben Moment, in dem er das Wort aussprach, wusste er, was es bedeutete. Menschen saßen an Tischen, die auf dem Rasen standen. Er erkannte keinen – es waren andere als am Fluss.
In dem Café saßen genauso viele Frauen wie Männer, alle ungefähr in ihrem Alter oder höchstens ein wenig älter. Und Matt hatte recht: Sie waren alle anders gekleidet als die Römer. Seth war froh, dass sie sich umgezogen hatten, zumal er sich in Jeans und Turnschuhen erstaunlich wohlfühlte.
Matthias grinste und Seth konnte ihn gerade noch davon abhalten, über den Platz zu laufen und einen Stuhl heranzuziehen.
»Halte dich im Schatten, Matt. Wir kennen sie doch gar nicht.«
Doch Matt hatte überhaupt keine Angst mehr davor, gefangen genommen zu werden, und das Wissen um seine Unsterblichkeit erfüllte ihn mit draufgängerischer Zuversicht. Er ließ sich nicht zurückhalten. Jetzt bedauerte Seth, dass er ihn nicht vor Zackary gewarnt hatte.
»Matt«, setzte er an, doch es war schon zu spät. Eine junge Frau hatte ihn entdeckt und winkte.
Matthias winkte zurück und ging los. Als Seth nicht mitkam, drehte er sich um und zog seinen Freund ins Licht.
Die Freunde schwiegen, als sie später an diesem Abend heimkehrten.
Kaum waren sie im Haus, stürmte Matthias in sein Zimmer und Seth ging mit einem schweren Seufzer in seins.
Da er keine Lust hatte, sich mit Matthias’ schlechter Laune zu beschäftigen, legte Seth sich aufs Bett, schaute zur Decke und machte
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