Toedliches Geheimnis
Chamäleon?«, fragt er.
»Sehr komisch«, sage ich. Ich hasse den Klang meines Namens, und vor allem Wes’ ständiges Bedürfnis, noch ein Reptil dranzuhängen.
»Und von wegen aggressiv«, fährt er fort. »Hat einer von euch schon mal von dem Neuen gehört? Es heißt, er sei ein Killer.«
»Ich hoffe mal, ein heißer Killer«, sagt Kimmie und lässt einen Löffel voll Erdnussbutter in ihrem Mund verschwinden.
»Nein, ein richtiger Killer - einer, der jemanden umgebracht hat«, erklärt er. »Es geht das Gerücht, er hätte seine Freundin kaltgemacht... sie von einer Klippe gestoßen. Das Mädchen ist auf einem Felsvorsprung gelandet und wurde zerschmettert.«
»Klingt, als hätte jemand zuviel CSI: Den Tätern auf der Spur geschaut«, bemerkt Kimmie.
»Das kann man gar nicht zu viel schauen«, blafft er zu seiner Verteidigung zurück.
»Warte«, sage ich und schiebe meine unappetitlichen Käsemakkaroni beiseite. »Warum glaubst du, dass an dem Gerücht etwas dran ist?«
»Ach ja, stimmt«, grinst Kimmie, »Camelia glaubt ja nicht an Gerüchte... seit mal dieses Gerücht über sie in Umlauf war.«
Wes lacht, weil er ganz genau weiß, wovon sie spricht. In unserem ersten Jahr an der High School war Jessica Peet sauer auf mich, weil ich sie beim Geschichtstest nicht hatte abschreiben lassen, und beschloss daher, sich
an mir zu rächen. Sie erzählte allen, ich hätte die Angewohnheit, in die Dusche in der Umkleide zu pinkeln statt den ganzen Weg bis aufs Klo zu gehen. Wochenlang haben die Leute die Duschkabinen gemieden, die ich benutzt hatte.
Bevor ich etwas zu meiner Verteidigung sagen kann, kommt Matt und lässt seine Bücher ans Ende unseres Tisches fallen. »Hey Ladys«, sagt er. »Und Würstchen.« Er nickt Wes zu.
»Und wer lacht jetzt?« Ich schicke ein schadenfrohes Grinsen zu Wes hinüber.
Matt und ich waren mal zusammen, aber jetzt sind wir einfach nur Freunde. Manche Leute (wie Kimmie zum Beispiel) behaupten, dass wir es noch mal probieren sollten, aber ehrlich gesagt, hätten wir schon in der ersten Runde das Probieren lieber bleiben lassen sollen. Das hat nämlich ein ganz schönes Loch in unsere ansonsten wunderbar platonische Freundschaft gerissen. Und seither war es nie mehr ganz so wie zuvor zwischen uns.
»Na, wir sehen aber stylish aus dieses Jahr.« Kimmie leckt ach so verführerisch an ihrer Erdnussbutter und zieht Matt langsam mit den Augen die diversen Schichten von Abercrombies aus, die er heute trägt.
Wenig überraschend nimmt Matt ihre visuelle Belästigung nicht als Kompliment. Stattdessen ignoriert er sie und hält sich an mich: »Gilt unsere Nachhilfe-Vereinbarung auch noch für dieses Jahr? Ich könnte etwas Hilfe in Französisch gebrauchen.«
»Von mir aus«, sage ich. »Ich schau mal auf meinen Stundenplan, wann ich frei hab.«
Matt nickt und geht wieder, und Kimmie verpasst mir einen Tritt unter dem Tisch. »Bist du verrückt geworden?«, fragt sie. »Der Junge da hat seine Work-outs gemacht. Er ist die volle Neun auf der Skala von eins bis zehn.«
»Wenn man auf groß, blond und markant steht, vielleicht«, wirft Wes ein und kneift sich lässig in den mickrigen Bizeps. »Ich persönlich glaube, dass manche Mädels eher auf Charme und Persönlichkeit stehen.«
»Wie dumm, dass beides nicht gerade deine Stärken sind, was?«, bemerkt Kimmie und zwinkert Wes zu.
»Matt und ich sind einfach nur Freunde«, erinnere ich sie.
»Ach was, Freunde!«, sagt sie. »Was du brauchst, ist ein Mann.«
Ich werfe einen Blick auf die Uhr und sehne mich plötzlich danach, dass es klingelt. Und in diesem Augenblick sehe ich ihn.
Den Jungen vom Parkplatz.
Ich spüre, wie ich aufstehe. Ich spüre, wie mir das Herz bis zum Hals schlägt.
Er sieht mich auch. Ich weiß, dass er mich sieht.
»Ah, Camelia, ist alles okay mit dir?«, fragt Kimmie und folgt meinem Blick.
»Schaut mal da«, meldet sich Wes zu Wort. »Das ist er - der Typ, der seine Freundin umgebracht hat.«
Der Junge hält kurz inne und schaut mich nur eine Sekunde lang an, bevor er sich abwendet und zur Tür hinausgeht.
5
Sein Name ist Ben Carter.
Das weiß ich, weil alle in der Schule über ihn reden. Bis zum fünften Unterrichtsblock des Tages, weniger als drei Stunden, nachdem ich ihn in der Cafeteria entdeckt habe, hat sich die Geschichte zu etwas ausgewachsen, das leicht als Drehbuch für einen Fernsehfilm dienen könnte. Die Leute behaupten, Ben hätte seine Freundin erwürgt, bevor er sie an jenem Tag
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