Toedliches Konto
ohnehin für ungeeignet und vertagte das Thema auf die nächste Legislaturperiode. Michael von Bodenscheid allerdings konnte seine Idee jedoch - auch aus Gründen seines Ansehens im Ministerium - nicht einfach so abdriften lassen und beschwerte sich beim Ministerpräsidenten. Der wiederum sah in diesem Grundsatzthema keine Länderaufgabe und empfahl dem Herrn Staatssekretär, seine Idee schriftlich im Bundesjustizministerium einzureichen. Dieser Vorschlag gefiel von Bodenscheid außerordentlich, denn damit konnte er sein Gesicht wahren. Und die eigene Fassade war ihm weitaus wichtiger als die Häuser in der Stadt.
Dieses Fassaden-Dressing war schon immer von größter Bedeutung für Michael von Bodenscheid. Ob es das Haus, das Auto, der Urlaub, die Familie war... Er war übrigens einer von zwei Petersburgern, die ihre eigentliche sexuelle Orientierung hinter der Fassade einer Familie versteckten. Die Zeiten hatten sich zwar geändert, und inzwischen hätte Michael auch als schwuler Politiker Karriere machen können. Aber die Familie hatte er schon sehr frühzeitig gegründet. Zur Sicherheit. Das war für ihn immer das Wichtigste.
Er saß mit seinem Freund Günther Bartol zusammen, und es ging wiederum um Sicherheit. Um seine Sicherheit. Michael war besorgt. Die Sorge begann, als seiner Zeit Alfred Aumüller seinen Petersburger Freunden von der Schnüffelei in seinem Bankkonto erzählt hatte. Und Michael hatte schon bald darauf ausführlich mit Alfred unter vier Augen gesprochen. So wie jetzt mit Günther.
“Du meinst also nicht”, sagte Michael, “dass da eine Gefahr besteht? Ich meine natürlich, vor allem in steuerlicher Hinsicht, deshalb frage ich ja dich.”
Günther sagte beileibe nicht alles, was er wusste. Er sagte vor allem nicht, dass er der Initiator dieser Aktion war und dass es eine Kopie von den Kontodaten gab. Und dass ihn die alten Zahlungen in Verbindung mit Michael nicht die Bohne interessierten.
“Nein, Michael, du hast ja von Alfred gehört, dass das alles eher einen privaten Hintergrund hatte und offensichtlich sowieso ein Missverständnis war.”
“Wenn es aber doch anders wäre, was könnte mir denn dann passieren?”
“Das weißt du selber ganz genau, du wanderst in den Knast und lebst anschließend von Hartz IV.”
“Spar dir deinen Sarkasmus. Man kann kaum glauben, was für ein netter Kerl du privat sein kannst, wenn man dich nicht als Steuerberater erlebt. Aber im Ernst: Wenn ich bei einer Ermittlung wirklich auftauchen würde, wäre das doch wohl höchstens ein bisschen Steuerhinterziehung.”
Günther lachte betont laut, als hätte er gerade einen schlüpfrigen Witz gehört. “Ein bisschen Steuerhinterziehung? Schließlich hat dir Alfred auf seine Kosten einen tollen Pool in dein Ferienhaus am Gardasee bauen lassen und die ganze Gartengestaltung übernommen. Und die Rechnungen haben als Objekt alle eine Adresse von Alfred, damit dein guter Name ja nirgends in Erscheinung tritt.”
“Das ist nun mal so, dass ich einen besseren Namen habe als du.”
“Dass du dieses Geschenk von Alfred einfach so angenommen hast, wäre allein nur Steuerbetrug. Aber es war ja schließlich eine Gegenleistung dafür, dass durch Gesetze von dir für Exportförderungen, Energieförderungen und Umweltschutz-Rückvergütungen zwei Millionen für ihn raus gesprungen sind.”
“Moment, das war keine Bestechlichkeit und Untreue, falls du das zum Ausdruck bringen willst. Das waren ganz normale Gesetze, in denen sich die politischen Leitlinien unserer Staatsregierung widerspiegeln.”
“Bei denen du aber einige Rahmenbedingungen eingearbeitet hast, von denen Alfred mächtig profitiert hat. Ich gönn’s ihm ja.”
“Das war reiner Zufall”, sagte Michael und rang sich nun doch noch ein gequältes Lächeln ab.
8
Als Kurt am Morgens ins Büro kam, war Lena noch nicht da. Das war eher ungewöhnlich. Bis zur “Morgenandacht” um halb neun würde sie aber sicher erscheinen. Bei dieser täglichen Besprechung des Mordkommissariats wurden die wichtigsten Erkenntnisse ausgetauscht, damit alle den gleichen Informationsstand hatten. Kurt hatte schon vor Jahren durchgesetzt, dass nur die relevanten Erkenntnisse und Spuren im Telegrammstil vorgetragen wurden, um die Profilierungssucht einiger Selbstdarsteller zu bremsen und weil die Aufnahmefähigkeit für Details Grenzen hatte. Die Mitglieder einer Sonderkommission tauschten sich anschließend ohnehin noch ausführlicher aus.
Lena kam um zwanzig
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