Toedliches Konto
nach acht ins Büro gehumpelt.
“Was ist denn mit dir passiert?”, fragte Kurt.
“Ich hatte gestern Abend in der Bar noch auf dich gewartet, und dabei ist mir der Fuß eingeschlafen, wie du siehst.”
“Hauptsache, der Rest deines Körpers ist wach. - Übrigens, dass du auf mich gewartet hast, hatte ich nicht geahnt. Eine verpasste Gelegenheit...”
“Die Gelegenheit beschränkte sich auf ein Bier.”
In den anschließenden Lagebesprechungen wurde von den ersten Ergebnissen der Spurensicherung in der Wohnung von Bock/Duvall berichtet. Nichts deutete darauf hin, dass sich der Täter auf außergewöhnlichem Weg Zugang in die Wohnung verschafft hatte. Er muss von Walter Bock selbst eingelassen worden sein - also ein Bekannter - oder sogar einen Schlüssel für die Wohnung gehabt haben. Nach Auskunft von Frau Duvall hatten aber nur Bock und sie einen Schlüssel.
Die Fingerabdrücke schienen auch alle von diesen beiden Personen herzurühren. Das Wichtigste war die Untersuchung aller Utensilien für die Insulin-Injektion. Die Box, in der alles aufbewahrt wurde, enthielt interessanterweise nur einige Abdrücke von Frau Duvall. Diese sagte, dass sie die Box, die früher im Bad auf einer Ablage gestanden hatte, nach dem Tod ihres Lebensgefährten in den Badezimmerschrank hinein gestellt hätte. Aber wo waren die Fingerabdrücke von Bock? Offensichtlich wurde die Box vorher sauber abgewischt, um keine Abdrücke von der Person zu hinterlassen, die die tödliche Injektion gespritzt hatte. Eine leere Ampulle mit einem anderen Fingerabdruck wurde auch nicht gefunden.
“Ich habe da eine ganz perverse Idee”, sagte Kurt später. “Da nur die Abdrücke von der Duvall da drauf sind, kommt natürlich niemand auf die Idee, dass sie es getan haben könnte. Es sollte so aussehen, als habe der Täter alle Abdrücke abgewischt, und ihre sind natürlich beim Aufräumen drauf geblieben. Damit erscheint sie unverdächtig, weil man von einem Täter annimmt, dass er alle Abdrücke beseitigt. Eine perfekte Tarnung.”
“Das ist aber weit hergeholt, so eine Spekulation führt uns keinen Schritt weiter.”
Anschließend beschäftigten sich die Kolleginnen und Kollegen mit den Telefongesprächen und dem Mailverkehr, während sich Kurt die Zeit nahm, um mit kroatischen Kollegen Kontakt aufzunehmen. Nach mehreren Anläufen in verschiedenen Orten landete er schließlich bei einem Kollegen in Sibenik, der besser Deutsch als Kurt Englisch sprach, so dass die Kommunikation gut funktionierte.
Sibenik - so erfuhr Kurt - war ein Küstenstädtchen in der Nähe von Srima, wo Ina Dragun aufgewachsen war und wo noch ihre Eltern wohnten. Einige Befragungen standen noch aus, aber so viel war inzwischen klar, dass Ina in einer Nachtbar in Sibenik gearbeitet hatte, wo viele Touristen verkehrten. Ihre Eltern wollten mit ihr nichts mehr zu tun haben, weil sie ihre Tochter für eine Prostituierte hielten. Das war offensichtlich übertrieben, aber auch wiederum nicht so ganz falsch. Es gab eine Aussage, wonach Ina in den Sommermonaten, in denen die Fremden das Nachtleben dominierten, wohlhabende Männer - vor allem von den Yachten - für den Rest der Nacht mit in ihre Wohnung nahm. Es hieß, dass ihre Dienste recht exklusiv und entsprechend teuer waren, was auch an der aufwändigen Ausstattung ihrer Wohnung abzulesen war. Über die letzte Zeit von Ina in Sibenik war nur bekannt, dass sie sich für einen längeren Urlaub abgemeldet hatte, aber Näheres hatte die kroatische Kripo noch nicht erfahren. Sie blieben aber an der Sache dran und erschienen hoch motiviert. Offensichtlich wurden sie sonst mit Mordfällen nicht gerade verwöhnt.
Bis gegen Mittag waren auch die Kommunikationsdaten ausgewertet. Alle Nummern der ankommenden und abgehenden Gespräche auf dem Festnetztelefon und dem Handy von Walter Bock konnten - nach Aussage von Evelin Duvall - bekannten Personen zugeordnet werden. Mit Ausnahme einer Handynummer, die er aber auch immer nur von seinem Handy aus angerufen hatte. Diese Nummer ließ sich einer Prepaid-Karte zuordnen, die auf Ina Dragun registriert war. Interessanterweise diente deren Handy, das übrigens in ihrer Wohnung nicht gefunden worden war, ausschließlich der Kommunikation mit Walter Bock. Es war sehr unwahrscheinlich, dass sie in den fast vier Wochen ihres Aufenthaltes mit niemand anderem telefoniert hatte. Sie dürfte also noch ein kroatisches Handy oder eines, das auf einen anderen Namen zugelassen war, zusätzlich verwendet
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