Toedliches Konto
ich erbat mir ein paar Tage Zeit. Schließlich musste ich mir noch eine Geschichte ausdenken, weshalb ich mir alte Daten eines Kontos, das ich nie betreut hatte, freischalten lassen wollte. Nachdem ich die Daten hatte, machte ich mir für alle Fälle eine Kopie davon, eine normale pdf-Datei, wie sie zum Ausdruck eines Online-Kontoauszugs verwendet wird.
In all den Jahren, in denen ich schon mit Evelin zusammen lebe, ließ ich den Kontakt zu Vera nie abbrechen. Das sagte ich Evelin allerdings nicht. Irgendwelche Probleme - gerade wenn sie mit meinem Beruf zusammen hingen - konnte ich nicht mit Evelin besprechen. Oder ich versuchte es erst gar nicht. Die Kopie, die ich von Alfred Aumüllers Konto gemacht hatte, wollte ich auch nicht bei mir zu Hause aufheben. Ich rief Vera an und verabredete mich für den späten Nachmittag bei ihr.
Mit Evelin musste ich wegen solcher Termine nie reden, da sie ohnehin meistens erst gegen halb acht oder noch später nach Hause kam. Außerdem hatte ich bei meinen etwas wohlhabenderen Kunden öfters auch Haustermine, was mir auch innerhalb der Bank einen relativ großen Freiraum ermöglichte. So traf ich um 18 Uhr bei Vera ein, und sie erwartete mich schon wie immer mit Tee und Keksen.
Wir tauschten die üblichen belangslosen Sätze aus, bis Vera auf einmal sagte: “Was bedrückt dich eigentlich so. Du wirkst schon seit einiger Zeit so unfrei, so eingeknickt, als würde irgendeine Last auf dir ruhen. Hast du mit Evelin Probleme?”
“Ich bin aus einem ganz anderen Grund gekommen...”
“Aber es stimmt trotzdem, dass etwas nicht stimmt?”
Ich musste mich erst kurz sammeln. “Ach Vera, ich bin immer wieder fasziniert, wie du in mich hineinsehen kannst.”
Sie lächelte schelmisch. “Du bist nun mal ein gläserner Mensch für mich.”
“Nun gut, ich muss zugeben, dass mich mein Leben nicht mehr richtig erfüllt. Oder wie soll ich sagen? Irgendwie gibt es da eine Leere.”
“Die Evelin nicht ausfüllen kann?”
“Wir leben harmonisch zusammen, und Evelin hat auch immer Ideen, was wir zusammen unternehmen können. Gut seit einiger Zeit vielleicht nicht mehr so. Aber sehr viel Zeit haben wir ohnehin nicht zusammen. Sie hat ja ihre Boutique und ist dort den ganzen Tag über.”
“Dann bleibt ja immer noch das Bett.”
“Aber das ist es nicht. Das ist eben alles oberflächlich. In meinem Inneren fühle ich mich leer.”
“Ja, ja, man muss eben in dein Inneres hineinsehen können. Und vor allen Dingen hinein fühlen können. Was bewegt dich, was bedrückt dich. Wie kann ich daran Anteil nehmen, dir das Gefühl geben, mit all dem da drinnen nicht allein zu sein.”
“Ich möchte wieder bei dir sein, Vera.”
Mir war das so heraus gerutscht, ich hatte nicht darüber nachgedacht, es kam einfach so aus meinem Inneren. Ich war so erschrocken, dass mir Tränen kamen. Vera rückte ganz nah an mich heran und schlang die Arme um mich herum. So saßen wir vielleicht drei Minuten da und weinten zusammen.
“Du brauchst jetzt Zeit, Walter, um dir über deine Gefühle klar zu werden. Um dir über dein Leben klar zu werden. Tue nichts, was dir nur eine neue Belastung wird.”
“Ich möchte jetzt mit dir schlafen.”
Vera hatte das wohl schon erwartet, sie nahm mich zärtlich an der Hand. Mir fiel aber noch ein, dass ich dann doch besser Evelin anrufen sollte. Ich sagte ihr, dass mich ein wichtiger Kunde noch zum Abendessen eingeladen habe und ich erst später käme.
Bevor ich von Vera wegging, deponierte ich noch die Kopie mit den Kontodaten in meinem alten Schreibtisch. Er stand noch am selben Platz wie früher.
Am nächsten Tag verabredete ich mich mittags mit Günther. Ich hatte mir vorher überlegt, was ich ihm von den Bewegungen auf dem alten Konto von Alfred Aumüller mitteilen sollte. Schließlich geht es ihn ja gar nichts an. Aber vor dem Hintergrund möglicher krimineller Transaktionen wollte ich einen vielleicht notwendigen Beitrag zur Aufklärung leisten.
Es gab etliche Überweisungen an Max Hackelberg, im Laufe eines Jahres so 5.000 bis 7.000 Euro. Wie ich von Günther wusste, gehört Hackelberg zu den Petersburgern. Er ist der Pfarrer. Ich nehme nicht an, dass Aumüller auf diesem Weg seine Kirchensteuer bezahlt hat. Sondern sich für eher nicht seelsorgerischen Trost erkenntlich zeigen wollte. Das würde ich Günther nicht auf die Nase binden. Ebenso wenig andere Zahlungen oder Zahlungseingänge, die sich öfters wiederholten, aber im Höchstfall 20.000 bis
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