Tödliches Labyrinth
ihres Großvaters an sich gerissen haben. Wenn sie nicht gezögert hatten, dafür Merritt Marlowe selbst aus dem Weg zu schaffen und Leahs leibliche Eltern zu ermorden – konnte es da noch etwas geben, wovor sie zurückschrecken würden?
Viele Regierungen in Ländern der Dritten Welt waren besonders empfänglich für Einflüsse von außen, für Schmiergelder und Korruption. Ein Milliarden Dollar schwerer Konzern, der Technologie für Waffen- und Verteidigungssysteme produzierte, konnte sich in eine Position bringen, durch die sich weltpolitische Verhältnisse nach Belieben verändern ließen, wenn das Unternehmen das so wollte. Jeder, der weltweiten Handel betrieb, wusste nur zu gut, dass es genügend legale und illegale Methoden gab, um gesetzliche Bestimmungen zu umgehen, durch die der Handel mit Technologien eingeschränkt werden sollte, die in den falschen Händen verheerende Folgen haben konnten.
Wer wollte es da wagen, auch nur eine Vermutung darüber zu äußern, was die Männer wirklich beabsichtigten, die die Kontrolle über MMI hatten? Möglicherweise waren sie dafür verantwortlich, über Jahre hinweg Diktaturen zu fördern, Staatsstreiche zu inszenieren und Regierungen zu stürzen, die nicht in ihre kurz- und langfristige Planung passten. Vielleicht ging sogar der eine oder andere Bürgerkrieg in einem Land der Dritten Welt auf ihr Konto.
Allein der Gedanke war schon beängstigend, aber man konnte ihn nicht einfach verwerfen. Es wäre extrem dumm gewesen, durch eine rosarote Brille das zu betrachten, was vor ihr lag. Wenn Roland Marlowes Verdacht zutraf – und Leah hatte nichts finden können, was ihn entkräftet hätte –, dann waren die Männer, die MMI kontrollierten, höchst gefährlich und sicherten sich nach allen Seiten hin ab.
Als sie nun zum wiederholten Mal Hawk Bladehunter ansah, fragte sie sich, ob er zu den Leuten bei MMI gehörte, die sie als ihre Todfeinde betrachten musste.
Natürlich war er nicht Teil des ursprünglichen Konsortiums, das die Macht an sich gerissen hatte. Dafür war er viel zu jung. Aber er konnte einer von denjenigen sein, die nachgerückt waren, um die zu ersetzen, die in den Ruhestand getreten oder verstorben waren. Angesichts der gefährlichen Messerstecherei, die sie damals miterlebt hatte, wusste Leah, dass es der Gipfel der Dummheit wäre, wenn sie sich einredete, Hawk könne nicht zu der Gruppe gehören, deren Machenschaften sie aufdecken und deren Mitglieder sie hinter Gitter bringen wollte.
Als sie ihn so betrachtete und darüber nachdachte, dass er im Reservat aufgewachsen war, wo das Leben nur selten freundlich mit einem umsprang, fühlte sie, dass er nichts Weiches, Lässiges oder Sentimentales ausstrahlte. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er ein bettelarmer junger Mann gewesen, der nur mit Mühe über die Runden kam. Dass er in kurzer Zeit weit auf der Karriereleiter nach oben gestiegen war, sprach für seine Intelligenz, sein Geschick, seinen Ehrgeiz und Antrieb. Wofür es möglicherweise sonst noch sprechen konnte, musste sie erst herausfinden.
Zweifellos hatte er über lange Zeit zweiundsiebzig Stunden und mehr wöchentlich arbeiten müssen, um es auf diesen Posten zu schaffen. Das bewies, dass er – wenn er es wollte – fähig war, mit einer Zielstrebigkeit vorzugehen, die ihn zu einem rücksichtslosen Widersacher machte, sollte er sich für die Gegenseite entschieden haben.
Hawk verlagerte seine Sitzposition ein wenig, und wieder fühlte sich Leah auf eine unbehagliche Weise an einen Jaguar oder einen Tiger erinnert. Im Gegensatz zu anderen Großkatzen waren Tiger äußerst gnadenlos, wenn einmal ihre Wut geweckt worden war. Es genügte ihnen nicht, die Halsschlagader ihres Opfers zu zerfetzen, sie rissen auch Kopf und Gliedmaßen vom Rumpf. Das machte sie auch so gefährlich, wenn sie erst einmal Menschenblut geleckt hatten, und genau deshalb musste man sie unter derartigen Umständen schnellstmöglich jagen und zur Strecke bringen.
Wie Hawk gerade eben selbst gesagt hatte, trug die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von MMI entscheidend zu den Gewinnen des Konzerns bei. Da lag es doch nahe, dass sie von einem Mann geleitet wurde, der wusste, was im Unternehmen wirklich vor sich ging.
Leah war sich dennoch nicht sicher. Trotz allem, was sie in all den Jahren über MMI gelernt hatte, musste sie sich ihre eigene Meinung über die Menschen bilden, die gegenwärtig dieses Unternehmen führten. Das war vor allem deshalb
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