Tödliches Labyrinth
ihm nach nebenan in sein Büro folgte.
Erschrocken merkte sie, dass ihre Handflächen schweißnass waren. Mehrmals wischte sie sie an ihrem engen Rock ab, aber das änderte nichts an ihrer festen Überzeugung, trotz der leistungsstarken Klimaanlage vor Hitze zerfließen zu müssen.
Sie fürchtete, ihr Kostüm könne schon längst völlig durchgeschwitzt sein, während Mund und Kehle wie ausgetrocknet waren. Hawk dagegen schien nicht von dem betroffen zu sein, was sie auf irritierende Weise so fest im Griff hatte. Er wirkte fast unpersönlich, als er ihr bedeutete, sie solle Platz nehmen. Dann setzte er sich in den großen dunkelgrünen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch.
Leah sah sich verstohlen um und bemerkte, dass Hawk ein großes Eckbüro hatte, also genau die Art von Räumlichkeit, die den wichtigsten Angestellten eines Unternehmens vorbehalten war. Auch war die Einrichtung verschwenderischer als in ihrem Büro. Vom dicken sandfarbenen Teppich über die Mischung aus neuen und antiken Möbelstücken im Santa-Fé-Stil bis hin zu den Indianergemälden an den Wänden zeugte alles von einer bewusst untertriebenen Eleganz und von Geschmack – so wie der Mann selbst.
“Wären Sie so freundlich, Ms. Tallcloud, oder soll ich?” Hawk deutete auf das Kaffeeservice, das auf dem Tisch neben ihr stand.
Es war Leah klar, dass es sich um einen Test handelte. Über die Jahre hinweg hatte sie sich mit allen Unternehmenshierarchien und -strategien beschäftigt, über die sie etwas in Erfahrung hatte bringen können. Dadurch hatte sie in den wenigen Minuten bereits einiges über den Mann in Erfahrung gebracht, für den sie arbeiten sollte. Zunächst einmal stand fest, dass dieser Mann kein Neuling in Sachen Unternehmenspolitik war.
Er hatte in ihrem Büro auf sie gewartet und war damit in ein Territorium eingedrungen, das eindeutig in ihre Zuständigkeit fiel. Es war ein taktisches Manöver, das sie aus der Ruhe bringen sollte. Dann hatte er sie in sein eigenes Büro gelotst, womit sie sich auf sein Territorium begab, wo er ganz natürlich die dominante Persönlichkeit war. Diese Tatsache wurde dadurch unterstrichen, dass er in autoritärer Weise hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, anstatt sich eine freundschaftliche Geste zu gestatten und sich zu ihr zu setzen. Und nun hatte er – wenn auch höflich – im Grunde nichts anderes gemacht, als sie aufzufordern, ihm und sich selbst Kaffee einzuschenken.
O ja, er war gut. Sehr gut sogar. Leah stellte das mit einer gewissen Bewunderung fest. Selbst wenn sie kein Nervenbündel gewesen wäre, da sie wusste, dass ihre wahre Identität um jeden Preis geheim gehalten werden musste, hätte das Verhalten ihres Vorgesetzten sie aufgeregt.
“Aber natürlich”, erwiderte sie so freundlich wie möglich, um ihn nicht merken zu lassen, wie prompt sie sein Spiel durchschaut hatte, das er mit ihr trieb. Und erst recht sollte er nicht ahnen können, dass sie die Spielregeln mindestens so gut, wenn nicht sogar noch besser beherrschte als er.
In vieler Hinsicht waren seine Aktionen so etwas wie die Eröffnungszüge einer Schachpartie gewesen. Als Folge davon hatte er bereits einiges über sich preisgegeben. Zweifellos war er so arrogant, anzunehmen, er könne sie sogar unter diesen Umständen noch besiegen oder aber würde herausfinden, dass sie seinen Schachzügen beklagenswert ignorant – und damit wehrlos – gegenüberstand.
Also legte sie keine übertriebene Eile an den Tag, seine Forderung zu erfüllen, sondern wartete lange genug, um sicher zu sein, dass sie nicht zitterte. Erst dann nahm sie die Kanne und goss den heißen Kaffee in die Sèvres-Tassen, die gleich daneben auf dem Tablett standen.
“Mit Milch oder Zucker, Mr. Bladehunter?” fragte sie und nahm an, dass ihr Tonfall kühl war – nicht zu kühl, um ihn zu verärgern, sondern mit der unterschwelligen Botschaft, sie werde zwar seinem Wunsch nachkommen, aber einzig und allein aus dem Grund, dass er ihr Vorgesetzter war, weiter nichts.
“Nein, danke. Ich trinke ihn schwarz.”
Sie war sich nicht sicher, doch es war durchaus möglich, dass sie einen Hauch von Belustigung in seiner Stimme hörte, als hätte sie etwas getan, das ihn amüsierte. Vielleicht war das ja auch der Fall gewesen. Ein Mann wie er würde dem Gedanken, herausgefordert zu werden, etwas Unterhaltsames und Befriedigendes abgewinnen.
Einen Moment lang musste sich Leah beherrschen, dass sie ihn nicht anlächelte. Unter anderen
Weitere Kostenlose Bücher