Tödliches Labyrinth
sicher zu sein, dass sie nichts übersah. Immerhin war es möglich, dass Hawk nicht mehr das genaue Datum des Zwischenfalls auf dem Highway im Gedächtnis hatte. Außerdem konnte sie die Suche auf die Patienten beschränken, die in den Abendstunden eingeliefert worden waren. Wenigstens hatte ihr Chef erwähnt, es sei zur Zeit der Begegnung mit dem Fremden bereits dunkel gewesen.
Wieder musste Leah schwer seufzen, während sie erneut die Finger auf die Tastatur legte. Das Arbeitsvolumen bei MMI hatte in den Wochen seit Beginn ihrer Beschäftigung zu keiner Zeit nachgelassen, so dass sie permanent weniger Schlaf bekam, als ihr Körper eigentlich benötigte. Als Folge davon war sie geistig und körperlich erschöpft und es fiel ihr immer schwerer, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihr lag.
Ich sollte mich schlafen legen, dachte Leah. Doch sie war realistisch genug, um zu wissen, dass das Arbeitsaufkommen in nächster Zeit nicht nachlassen würde. Also konnte sie auch genauso gut weitermachen und ihre Erschöpfung ignorieren.
Auf dem kleinen Fernseher in ihrem zweiten Schlafzimmer, das als Gästezimmer und Arbeitszimmer diente, lief CNN, sodass sie nebenher über die Ereignisse in aller Welt informiert war, während ihre Finger eifrig über die Tastatur flogen. Das Coffein, das sie mit etlichen Tassen schwarzen Kaffees zu sich nahm, half ihr, wach zu bleiben und die Informationen zu erfassen, die sie im Internet zu Tage gefördert hatte.
Nach einer Weile hatte Leah eine Liste mit den Namen, Adressen und Telefonnummern aller älteren Männer, die in dem fraglichen Zeitraum im Our Lady of Mercy behandelt worden waren. Als Nächstes musste sie diese Angaben mit dem Telefonverzeichnis abgleichen, das sie eben aufgerufen hatte.
Name für Name ging sie die Liste durch und strich alle Namen, die sich auch im Verzeichnis fanden. Was sie suchte, war eine falsche Identität, ein Name und eine Adresse, die sich nirgendwo anders wiederfinden ließen.
Schließlich waren nur noch drei Namen übrig, die nicht zu passen schienen. Es war wesentlich mühseliger, in die Datenbank des staatlichen Wohlfahrtssystems einzudringen, aber nach einer Weile hatte Leah auch das geschafft und konnte die ersten zwei der verbliebenen Namen ausfindig machen. Damit gab es nur noch einen Namen, der nicht zugeordnet werden konnte: John Brown. Sie wechselte in das Geburts- und Sterberegister und stieß dort schnell auf John Brown, der diesen Aufzeichnungen zufolge am Tag seiner Geburt gestorben war.
Leah wusste, dass dies der übliche Weg war, um eine falsche Identität zu schaffen. Man suchte nach dem Namen eines Babys, das entweder tot zur Welt gekommen oder kurz nach der Geburt gestorben war. Nur selten machte sich jemand die Mühe, Geburts- und Sterberegister miteinander zu vergleichen. Das bedeutete, man konnte sich ohne weiteres eine Geburtsurkunde für ein totes Baby ausstellen lassen, um auf diese Weise die Grundlage für eine vollkommen neue Identität zu schaffen.
Dennoch war sich Leah nicht sicher, was sie damit eigentlich bewiesen hatte, außer dass ein alter Mann offenbar unter einem falschen Namen etwa zu der Zeit ins Our Lady of Mercy Hospital eingeliefert worden war, als Hawk seinen Passagier dort abgesetzt hatte. War dieser Mann
wirklich
Merritt Marlowe gewesen, so wie er das behauptet hatte?
Leah wusste es nicht.
Doch das,
was
sie herausgefunden hatte, fügte sich sehr gut in das Bild. Wenn der Beifahrer ihres Chefs tatsächlich ihr Großvater gewesen war, dann hatte man ihn als unbekannten Patienten im Krankenhaus aufgenommen. Später war dann einer der Männer aus der Gruppe gekommen, um ihn zu “identifizieren” und “nach Hause” mitzunehmen.
In einer Notaufnahme ging es üblicherweise so hektisch zu, da war nicht anzunehmen, dass sich jemand die Mühe machte, einer solchen Geschichte erst einmal auf den Grund zu gehen. Das Personal würde ganz im Gegenteil sogar froh darüber gewesen sein, wenn jemand kam, um einen Mann abzuholen, für den das Krankenhaus dann nicht weiter verantwortlich war.
Leah kehrte noch einmal in die Datenbank des Our Lady of Mercy zurück und entdeckte, dass die Rechnung für John Browns Behandlung bei seiner Entlassung bar bezahlt worden war. Das war für sie ein weiteres Indiz, denn die meisten Patienten waren krankenversichert und mussten nichts bezahlen, und die anderen waren sicher nur in den allerseltensten Fällen wohlhabend genug, um eine solch stolze Summe auf einmal zu
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