Tödliches Labyrinth
bezahlen.
Wer immer John Brown aus dem Krankenhaus geholt hatte, war entweder nicht daran interessiert, eine Krankenversicherung für die Kosten aufkommen zu lassen, oder er hatte möglichst keine Fährte hinterlassen wollen, die man bis zu ihm zurückverfolgen konnte.
Leah vermutete, dass Letzteres der Fall sein musste.
Sie gähnte und streckte sich, dann stand sie von dem Drehstuhl am Schreibtisch auf und versuchte vergeblich, sich von den Verspannungen in Nacken und Rücken zu befreien. Die unzähligen Stunden, die sie in den letzten Wochen vor dem Computer verbracht hatte, waren Gift für ihren Körper gewesen. Sie konnte sich schon nicht mehr daran erinnern, wann sie zum letzten Mal im Fitnesscenter gewesen war. Wenn sie so weitermachte, würde sie alt und verbraucht sein, noch bevor sie fünfunddreißig war.
Sie ging in die Küche und nahm die Glaskanne von der Kaffeemaschine, um ihre Tasse aus Steingut wieder aufzufüllen. Genüsslich nippte sie an der frisch aufgebrühten kolumbianischen Mischung, während sie zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte.
Dass sie noch längst nicht alles erledigt hatte, war ihr klar. Also setzte sie sich wieder hin und begann, die Adresse ihrer bevorzugten Internet-Suchmaschine einzutippen. Nachdem die Seite aufgebaut war, gab sie “Spionageausrüstung” als Suchbegriff ein und klickte “Suchen” an.
Keine Sekunde später wurde die erste Seite der Suchergebnisse angezeigt.
Leah war sprachlos, wie viele Seiten im Internet etwas zu dem Thema zu bieten hatten. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder vor Schreck nach Luft schnappen sollte. Wer hätte schon gedacht, dass es so viele Anbieter von Spionageausrüstungen gab?
Sie klickte auf den ersten blau markierten Hyperlink, ein Online-Anbieter namens “The Spyglass". Wieder musste sie staunen, als die Homepage auf ihrem Monitor aufgebaut wurde. Auf schwarzem Grund stand in Neonrot “The Spyglass” geschrieben, dahinter war ein modernes Fernrohr zu sehen, von dem aus man zum umfassenden Angebot gelangte. Sie ging alle Seiten des Online-Katalogs durch und las, welche technischen Spielereien zum Verkauf angeboten wurden.
Von einigen Dingen wusste sie, dass sie bei weitem nicht auf dem neuesten Stand der Technik waren. Aber das war auch nicht unbedingt nötig. Wenn jemand – aus welchen Gründen auch immer – seine Telefonate mitschneiden wollte, dann war dazu nicht mehr erforderlich als ein bestimmter Typ von Kassettenrekorder, den man auch problemlos in jedem Fachgeschäft für Elektronik kaufen konnte. Wer allerdings James Bond nachahmen wollte, für den gab es absolut erstaunliche Objekte zu erwerben.
Leah erkannte, dass MMI beim Design und bei der Entwicklung eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hatte. Der Gedanke machte sie krank. Ein paar hundert Dollar und etwas freie Zeit genügten, damit sich eine misstrauische Ehefrau einen Privatdetektiv sparen und höchstpersönlich ihren Ehemann beim Seitensprung erwischen konnte. Und wenn man bereit war, noch mehr Zeit und einige tausend Dollar zu investieren, konnte man sich eine Ausrüstung zusammenstellen, mit der man offenbar jeden ausspionieren konnte.
Leah fragte sich mit Unbehagen, wie viel von dem, was dort angeboten wurde, überhaupt legal war. Kaufen und verkaufen durfte man vermutlich alles. Ob man es auch rechtmäßig benutzen durfte, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Sie ermahnte sich, dass rechtliche Aspekte im Augenblick nicht von Bedeutung waren. Ihre vorrangigste Aufgabe bestand darin, herauszufinden, ob ihr Großvater noch lebte oder nicht. Wie sie das machte, war völlig egal. Wenn er
wirklich
Hawks mysteriöser Mitfahrer gewesen war, dann standen die Chancen gut, dass das Konsortium ihn auch nach diesem Zwischenfall nicht umgebracht hatte.
Gründliche Überlegungen hatten Leah zu der Ansicht kommen lassen, dass es für diese Männer sicherlich ein Risiko war, Merritt Marlowe
nicht
umzubringen, weil so ständig die Gefahr bestand, dass er auf irgendeine Weise mit der Außenwelt Kontakt aufnahm. Es wäre aber mindestens genauso gefährlich gewesen, ihn zu töten. Vielleicht würde sich irgendwann eine Situation ergeben, in der sie ihn präsentieren mussten, ob sie es wollten oder nicht. Jemand, der operiert worden wäre, um Leahs Großvater ähnlich zu sehen, hätte nichts von der Genialität eines Merritt Marlowe besessen. Mehr als eine nur oberflächliche Begutachtung hätte er nicht durchgehalten, ohne sich zu verraten.
Leah wusste nicht
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