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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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kramte und klirrte – wäre ich wirklich kränklich gewesen, wäre mir das unendlich auf den Nerv gegangen. 'Tee und noch was', hatte Sam mir versprochen, und das 'noch was' entpuppte sich als ein Stapel gebutterter Toastscheiben, die er im Tiefkühlfach gefunden haben musste. Sam stellte mir den Teller auf den Schoß und drückte mir die Tasse in die Hand. Ein Tee-Ei schwamm darin, so vollgestopft mit Teeblättern, dass es kurz vor dem Bersten war.
    »Das ist grüner Tee. Schwarzen habe ich nicht gefunden.«
    »Ich habe keinen«, sagte ich.
    Sam beobachtete mit wohlwollendem Gesichtsausdruck, wie ich an der Tasse nippte.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich ihn nicht mag«, damit sprach ich etwas sehr Naheliegendes aus.
    »Ich schon«, sagte er. »Habe welchen auf den Einkaufszettel geschrieben.«
    Ich schnaubte, was er scheinbar als Pusten auf den Tee ansah und nicht weiter zur Kenntnis nahm. Pusten wäre indes notwendig gewesen, sehr notwendig sogar, denn die Flüssigkeit war kochend heiß.
    »Grünen Tee macht man nicht mit kochendem Wasser«, sagte ich. »Achtzig Grad, mehr sollte es nicht haben.«
    »Dann lass ihn abkühlen«, sagte Sam, ich lachte, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hatte: Wenn man die Blätter verkocht hatte, hatte man sie verkocht. Irreversibel.
    Sam nahm mir die glühende Tasse aus der Hand, legte stattdessen eine Toastscheibe hinein.
    »Iss.«
    Ich biss in den Toast und war erstaunt, dass er weder gefroren noch verbrannt war: Er war essbar. Viel zu stark gebuttert, aber essbar. Ich kaute, Sam starrte auf den Teller. Es lagen bestimmt noch fünf Scheiben darauf.
    »Bedien dich«, sagte ich, Sam sah mich etwas irritiert an.
    »Was?«
    »Bedien dich, ich esse sicher nicht mehr als zwei Scheiben.«
    Sam lachte, schüttelte den Kopf und fuhr mit dem Zeigefinger langsam über die bloße Haut an meinem Oberschenkel. Eine Gänsehaut folgte der Berührung, und Sam hob die Augenbrauen.
    »Interessant. Entweder habe ich eiskalte Hände, oder dir hat das gefallen.«
    »Oder ich fand es so schlimm, dass ich vor Grauen Gänsehaut bekommen habe.«
    »Hast du?«
    Ich zögerte, biss noch ein Stückchen von dem Toast ab. »Nein.«
    »Habe ich kalte Hände?«
    »Nein.«
    Sam nahm den Toast-Teller und schob ihn neben die Tasse auf den Nachtisch. Dann streifte er seine Sandalen ab und legte sich neben mich auf das Bett, den Kopf in den Arm gestützt. Ich sah auf das Stückchen Toast herunter, das von meiner Scheibe noch übrig war.
    »Iss es auf«, sagte Sam. »Du bist viel zu dünn.«
    »Berufsbedingt«, sagte ich, Sam schwieg, bis ich das Brot in meinen Mund gesteckt, gekaut und herunter geschluckt hatte.
    »Hör auf mit diesem Job. Dann geht's dir besser.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht. Ich habe ein Haus, jetzt brauche ich noch ein bisschen Geld auf dem Sparbuch. Drei Jahre, vielleicht vier. Dann setzte ich mich zur Ruhe.«
    Sams Hand legte sich erneut auf meinen Oberschenkel.
    »Frau Berger sagte, du hörst nicht auf sie. Wegen des Essens. Würdest du auf mich hören?«
    »Das hat mit Hören nichts zu tun. Ich weiß, dass ich mehr essen muss, aber ich kann nicht. Und mein BMI ist total okay.«
    Sam runzelte die Stirn, ich relativierte meine Aussage.
    »Fast okay. Das Schwimmen hilft auch, denn es macht Hunger.«
    Ich rechtfertigte mich, merkte ich, also verstummte ich. Sam nahm seine Hand von meinem Oberschenkel und strich mir über die Wange. Als sich seine Lippen den meinen näherten, drehte ich den Kopf weg.
    »Was hast du?«, fragte er, und ich verzog den Mund.
    »Gekotzt habe ich, vor nicht mal zehn Minuten«, erwiderte ich. »Keine gute Idee, mich jetzt zu küssen.«
    »Man riecht nichts«, sagte Sam, und ließ seine Lippen stattdessen an meinem Hals herunter wandern. Was sich nicht schlecht anfühlte.
     
    ***
     
    Ich brachte einen Laptop hinaus auf die Terrasse, Sam holte die CD aus seiner Reisetasche. Das Laufwerk sirrte los, er klickte zwei oder drei Mal.
    »Eine Datei nur.«
    Ich war versucht ihm zu sagen, dass ich nicht mehr wissen wollte, was da drauf war, aber ich schwieg. Er würde sich nicht aufhalten lassen, er würde weiter reden. Er war wie eine Naturgewalt: Er verschlang scheinbar nicht nur jedwedes Lebensmittel, das sich ihm in den Weg stellte, sondern auch Menschen.
    »Sie heißt '037584522652.mp3'. Ein Lied? Oder irgendeine andere Audio-Datei.«
    Ich glaubte nicht an ein Lied. Für ein Lied wurde man nicht umgebracht.
    Sam machte einen Doppelklick. Wartete. Hob

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