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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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helfen.«
    »Das Gespräch dauert so drei, vier Minuten. Was ist denn dein Stundensatz?«
    Alex lachte. »Vier Minuten? Vier Bier.«
    »Im Ernst«, sagte Sam.
    »Lass erst mal hören, was du da hast.«
    »Okay. Ich lasse es laufen und halte das Handy an den Lautsprecher.«
    Sam ließ die Datei abspielen, danach schwieg das Handy.
    »Alex? Noch da?«
    »Ja. Und ich denke, dass ich dir nicht helfen kann.«
    »Mist. Was ist das denn? Bulgarisch? Rumänisch?«
    »Nein. Es ist weißrussisch.«
    »Ist das ein russischer Dialekt? Oder eine eigene Sprache?«
    »Eine eigene Sprache. Eine ostslawische Sprache. Davon gibt es drei: Russisch, weißrussisch und Ukrainisch. Alle drei entstanden im Mittelalter aus einer Ursprungssprache, die nennt man 'Rus'. Weißrussisch wird heute in kyrillischer Schrift geschrieben, und weil Weißrussland lange zur UDSSR gehörte, gab es viele Einflüsse des Russischen. Die Grammatik ist ohnehin ähnlich, auch der Wortschatz hat sich angeglichen.«
    »Also hast du nicht wirklich was verstanden und wir müssen nach jemandem suchen, der weißrussisch spricht.«
    Alex schwieg. »Das habe ich so nicht gesagt«, ließ er sich dann wieder vernehmen. »Ich habe das schon verstanden. Ich sage es anders: Ich möchte dir nicht helfen. Lösch das. Vergiss das. Und geh selber ein paar Bier trinken, um das zu vergessen.«
    »Spinnst du? Komm, lass mich nicht hängen. Du hast es verstanden. Sag mir schnell, was die da reden, dann kannst du wieder zu deinem Tolstoi zurückkehren.«
    »Puschkin. Ich dissertiere über Puschkin.«
    »Super. Dann weißt du ja schon, mit welchem Wodka du auf deinen hochverdienten Titel anstoßen kannst.«
    Ich streckte meine Hand in Sams Blickfeld, rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
    »Und weißt du was? Ich zahle dir die Party. Was brauchst du? Fünfhundert?«
    Schweigen aus dem Hörer.
    »Alex, sag mir einfach, was die da reden, ich verstehe nur Bahnhof.«
    Noch mehr Schweigen, dann seufzte Alex. »Lass es mich noch mal hören.«
    Sam ließ die Datei ein weiteres Mal ablaufen.
    »Okay. Der erste Mann sagt 'Hallo, ich bin es'. Der andere sagt nur 'Ja'. Der erste Mann sagt, die Liste sei komplett, er werde sie jetzt durchgeben. Der andere Mann sagt ihm, er solle loslegen. Sehr umgangssprachlich, grob. Der erste Mann liest Namen vor. Dann sagt er, die Reihenfolge sei sehr wichtig. Der zweite Mann sagt 'natürlich'. Der Erste sagt, es muss innerhalb von zwei Jahren erledigt sein. Der Zweite sagt, das wäre kein Problem. Der Erste sagt, es soll variiert werden. Der Zweite sagt, das wäre ein Problem. Der Erste sagt, das wisse er. Der Zweite fordert eine Million. Der Erste sagt Okay. Der Zweite sagt Euro, nicht Dollar. Der Erste sagt nichts, dann nochmal 'okay'. Der Zweite sagt 'gut', dann ist Ende.«
    Ich sah auf eine abgerissene Rose, die mit welken Blütenblättern vor der Terrasse lag.
    »Super, Alex, danke. Diese Namen, die er da vorliest, kannst du mir die noch mal sagen?«
    »Tausend.«
    »Was?«
    »Ich will tausend.«
    »Dollar?«
    Alex lachte freudlos. »Wäre immer noch besser als Rubel. Nein, Euro. Und ich muss es noch mal hören. Verstehst du nicht mal die Namen?«
    »Doch, aber ich weiß nicht, wie man sie schreibt. Hilf mir beim Buchstabieren, dann kriegst du die Tausend und damit ist das Thema erledigt.«
    Alex war nach einer weiteren Schweigeminute einverstanden, ich zog den Laptop zu mir heran, öffnete eine Textverarbeitung. Wir spielten die Aufnahme noch zweimal ab, dann hatten wir eine Liste von fünf Namen. Sam notierte sich Alex Adresse und versprach, das Geld heute noch in bar zu schicken.
    »Das will ich auch hoffen«, sagte Alex. »Und lass es mich noch einmal sagen: Lösch dieses Gespräch. Lösch es und vergiss das alles.«
    Es tutete aus dem Handy, Sam legte das Gerät langsam auf dem Tisch ab.
    »Gut, dann wissen wir jetzt zweierlei: Es ist nicht russisch, sondern weißrussisch. Und es ist übel. Fünf Namen auf einer Liste. Und eine Million Euro.«
    Ich nickte und fragte mich, ob ich Sam löschen würde, wenn es eine Löschfunktion für das Leben gäbe.
     
    ***
     
    »Dmitrij Worobjow. Sergej Peretjagin. Darja Zichan. Viktor Schirjajew. Stepan Braun.«
    Aus Sams Mund klangen die fremden Silben hölzern und ungewohnt, er brachte nur einen der Namen halbwegs glatt über die Lippen: Stepan Braun.
    »Wer ist Stepan Braun?«, fragte er, ich wusste es nicht. Tobias hieß Braun, dieser Stepan hieß Braun. Ich drehte den Laptop so, dass ich die Liste wieder

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