Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
Gesichter. »Der alte Jack ist nicht so vertrottelt, wie er aussieht. >Jack sei hurtig, Jack sei flink<. Als der Dichter das schrieb, dachte er an den alten Jack Cranston.« Er hob einen Zeigefinger. »Ihr sagt, ihr wohnt bei Mistress Aldous in der Grubb Street bei Cripplegate?«
    »Ja«, antwortete Flinstead, ganz überrascht, daß Sir John, der scheinbar geschlafen hatte, trotzdem zugehört hatte.
    »Ich kenne Mistress Aldous«, fuhr Cranston fort. »Fünfmal ist sie schon vor meinem Gericht erschienen, wegen Kuppelei, und weil sie ein Freudenhaus führte, einen Dirnenstall.«
    »Jetzt ist da aber keiner«, gab Stablegate zurück.
    »Nur ihr zwei hübschen Knaben und Mistress Aldous, wie?«
    »Jawohl.«
    »Jawohl, Sir John.«
    »Jawohl, Sir John.«
    »Laßt euch eins sagen«, warnte der Coroner bedrohlich. »Lacht nicht über den alten Jack. Ein schrecklicher Mord ist geschehen, und das Silber der Krone wurde gestohlen.«
    »Darüber wissen wir nichts.«
    »Nein, Bübchen, darüber wißt ihr nichts. Fünftausend Pfund, die für die Schatulle des Regenten bestimmt waren. Jetzt sind sie weg.« Cranston legte jedem eine große Pranke auf die Schulter, daß sie schmerzlich das Gesicht verzogen. »Nun, meine Hübschen, dann wollen wir uns mal dieses verdammte Fenster anschauen.«
    Athelstan empfand stille Zufriedenheit über die Art, wie Cranston seine Autorität wiederhergestellt hatte. An der Tür drehte er sich plötzlich um.
    »Verzeihung.« Er kam noch einmal zurück. »Ihr wußtet nicht, daß Master Drayton fünftausend Pfund in Silber in seinem Kontor hatte?«
    »Er ließ uns nie mit Geld hantieren«, sagte Stablegate. »Das war eine Regel, von der er niemals abwich. Wir wissen allerdings«, fügte er rasch hinzu, »daß gestern Beauftragte der Bank Frescobaldi im Haus waren, obwohl Master Drayton uns befahl, in unserer Kammer zu bleiben. Er öffnete die Tür selbst. Wir hörten Stimmengemurmel, und dann gingen sie wieder.«
    Athelstan nickte. »Und was geschah dann?«
    »Wenn die Herren von der Bank Geld gebracht haben«, meinte Stablegate, »dann hat er es, wie ich Master Drayton kenne, Münze für Münze gezählt, eine Quittung ausgeschrieben und das Geld in seinem Kontor verwahrt.«
    »Mochtet ihr Master Drayton?« fragte Cranston.
    »Nein!« antworteten beide wie aus einem Munde.
    »Er war ein höllischer Geizhals«, erklärte Flinstead. »Von früh bis spät ließ er uns schuften. Zum Angelusläuten gab er uns ein bißchen Ale, Brot und Käse, und dann hieß es Weiterarbeiten.« Er zupfte an seinem Hemd. »Weihnachten und Ostern bekamen wir neue Kleider, und zu Mittsommer ein Silberstück. Er hat kaum ein Wort mit uns gesprochen, schaute nur hin und wieder bei uns herein, lautlos wie ein Schatten, um sich zu vergewissern, daß wir nicht seine Zeit und sein Geld vergeudeten.«
    »Hat er je von Freunden oder Verwandten gesprochen?«
    »Niemals«, sagte Stablegate. »Einmal habe ich ihn gefragt, ob er verheiratet gewesen sei, und da bekam er einen schrecklichen Wutanfall.«
    »Und dann?«
    »Brummend lief er die Treppe hinunter. Wir haben unsere Lektion gelernt. Wir haben ihn nie wieder gefragt.«
    »Uns blieb ja nichts anderes übrig, als für ihn zu arbeiten«, fügte Flinstead hinzu. »Er hat uns oft daran erinnert, daß London voll von Schreibern sei, die Anstellung suchten. Ein Bettler kann sich’s nicht aussuchen, Pater.«
    Athelstan nickte und öffnete die Tür. »Dann, ihr Herren, wollen wir uns das Fenster anschauen.«
    Die beiden Schreiber gingen vor ihm hinaus und die Treppe hinunter. Flaxwith wartete unten, streichelte seinen Hund und sprach leise mit ihm. Athelstan glaubte nicht, daß er schon einmal einen häßlicheren Mastiff gesehen hatte. Als sie vorbeikamen, hob der Hund kurz den Kopf und knurrte.
    »Aber, aber«, flüsterte Flaxwith. »Du weißt doch, daß Sir John dich liebt.«
    »Ich kann das verdammte Vieh nicht ausstehen!« fauchte Cranston. »Schon mindestens dreimal hat er versucht, mir das Bein abzubeißen.«
    Die Schreiber führten sie in einen kleinen Saal voller Kram und Gerümpel. Die Holztäfelung war rissig und verstaubt, und es stank nach faulen Binsen. Die Musikergalerie am hinteren Ende bog sich durch, und in den Ecken hingen riesige Spinnweben wie Fahnen. Ratten quiekten protestierend und huschten über den Boden, erbost über die Eindringlinge. Es war dunkel; nur durch die geöffneten Läden eines zerbrochenen Fensters fiel ein wenig Licht herein.
    Athelstan zog sich einen

Weitere Kostenlose Bücher