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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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sie könnte auch nur eine Fliege totschlagen.
    »Was macht es schon?« fragte sie. »Edwin ist tot. Sie sind alle tot.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Sie mit ihren Bäuchen, ihren vorgewölbten Hosenlätzen, ihrem großspurigen Auftreten und ihrem Gold. Wieso haben sie Edwin nicht in Ruhe gelassen?« Sie sah Benedicta an. »Ich habe ihn angefleht, weißt du. Ich habe ihn angefleht, sie nicht weiter zu behelligen. Er sollte seine Arbeit tun und sich nicht um sie kümmern. Aber so war Edwin nicht. Er war ein guter Mensch, eine wahrhaft anständige Seele.« Sie sah Athelstan an. »Ist es nicht seltsam, Pater, wie ich von guten Menschen zur Strecke gebracht werde? Erst von Edwin, jetzt von Euch. Vielleicht zeigt es, daß man seinem Schicksal nicht entrinnen kann.«
    »Was meinst du damit?« fragte Cranston.
    »Mein Vater war ein braver Mann, ein fahrender Schauspieler. Er war außerdem beeinflußt von den Lehren Wycliffes und der Lollards.«
    »Von denen habe ich gehört«, sagte Athelstan. »Sie bekämpfen die Verderbtheit der Kirche.«
    »Mein Vater hat mir Lesen und Schreiben beigebracht«, fuhr Alison fort. »Als er begann, öffentlich zu lehren, wurde er in Cambridge verhaftet. Die Richter ließen ihn brandmarken, und außerdem wurde ihm mit einem rotglühenden Eisen die Zunge durchstoßen. Mein Vater starb im Kerker. Ich war erst zwölf. Gott weiß, was danach aus mir geworden wäre, aber Edwin pflegte die Gefangenen dort zu besuchen.« Sie holte tief Luft und kämpfte die Tränen nieder. »Er bekam Mitleid mit mir und verbürgte sich für mich. Als ich entlassen worden war, verschaffte er mir eine Arbeit in seiner Universität. Später trat er bei einem Kaufmann in Dienst, mietete eine Wohnung, und ich wurde seine Haushälterin. Die kirchliche Obrigkeit wurde mißtrauisch, und wir zogen um, erst nach Ely, dann nach Epping. Ich verliebte mich in Edwin, und wir ließen uns trauen und wurden Mann und Frau. Ein Wanderpriester vollzog die Trauung, aber in den Augen der Welt blieben wir Bruder und Schwester.«
    Sie schob die Hände ineinander und verschränkte die Finger. »Alles weitere wißt Ihr. Edwin bekam eine Anstellung in der Kanzlei vom Grünen Wachs. Was sie dort trieben, war ihm ein Greuel, und er fand, man müsse die Behörde von dieser Korruption in Kenntnis setzen. Natürlich vergalten die anderen es ihm: Erst töteten sie sein Pferd, dann versuchten sie ihn zu vergiften. Ich kam als Mann verkleidet in unsere geheime Wohnung nicht weit von der Herberge des Abtes von St. Alban’s. Ich hatte Angst um Edwin. In der Nacht seines Todes war ich in London. Er wollte zum Beten in die Kapelle von St. Thomas à Becket. Als er nicht zurückkam, wußte ich, was passiert war.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich bin froh, daß ich das Recht vollstreckt habe. Ich habe ihnen Rätsel geschickt. Ich habe ihnen angst gemacht. Sollten sie nur auch ein bißchen von der Arznei kosten, die sie Edwin verabreicht hatten.« Sie lächelte Athelstan an. »Als ich Euch begegnet bin, fragte ich mich gleich, wie es wohl weitergehen würde. Deshalb schlug ich so schnell zu. Aber dazu war nichts weiter nötig als ein bißchen Gerissenheit.« Sie nahm einen Schluck aus ihrem Humpen. »Selbstverständlich war ich in London, als Edwin starb. Auch schon vorher. Ehe es geschah, hatte ich schon eine Vorahnung. Als er nach dem Giftanschlag krank geworden war, hatte er mir einen Brief geschickt, und ich war nach London gekommen und hatte mich gefragt, was zu tun sei. Edwin wich nie von meiner Seite, wenn ich in der Stadt war. Ich hörte, daß die anderen Schreiber im >Tanzenden Schwein< gefeiert hatten. Irgendwie wußte ich, daß sie für seinen Tod verantwortlich waren.«
    »Und da hast du beschlossen, dich in zwei Menschen zu verwandeln?« fragte Athelstan.
    »Ja, Bruder. Als Kind hatte ich bei meinem Vater Erfahrungen im Verkleiden gesammelt, und auch immer dann, wenn ich nach London reiste, um Edwin zu besuchen. Es war eine ausgefuchste Verkleidung. An dem Morgen, bevor ich Peslep umbrachte, war ich noch einmal in Edwins Dachstube, um sicherzugehen. Danach ging es einfach nur darum, immer dafür zu sorgen, daß Alison Chapler woanders war, wenn dieser junge Mann gesehen wurde. Als Ollerton starb, war ich in Southwark. Als ich Elflain erschossen hatte, setzte ich gleich über den Fluß, und das Fußeisen legte ich schon in aller Herrgottsfrühe in Naphams Stube.«
    »Hast du gehofft, du könntest entkommen?« erkundigte sich

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