Tödliches Rätsel
Verzweifelt trottete Athelstan hinter ihm drein und versuchte, nicht auf das Geschrei, das Feilschen und Handeln zu achten. Immer wieder stieß er mit Bauern, Handwerkern oder Stadtbürgern zusammen. Hin und wieder stolperte er und mußte sich dann überschwenglich bei irgendeiner Lady entschuldigen, die Arm in Arm mit ihrem Gentleman daherspazierte. Als sie La Réole hinuntergingen und sich der Vintry und den weniger feinen Gegenden der Stadt näherten, hielt Athelstan eine Hand auf seinem Geldbeutel. Quacksalber und Wahrsager hatten hier ihre behelfsmäßigen Stände aufgebaut und lockten die Taschendiebe und Beutelschneider an, die solche Orte stets ebenso schnell umschwärmten wie Bienen den Honig oder — wie Sir John es ätzender zu sagen pflegte — »wie Fliegen den Mist«.
Endlich erblickte Athelstan die Takelage von Schiffen und roch im Morgenwind die frische Schärfe der Luft am Fluß. Cranston, dessen Laune sich verfinstert hatte und der nun immer öfter in tiefen Zügen aus seinem wunderbaren Weinschlauch trank, bog in eine Gasse ein, die zur Barque des Hl. Petrus führte. Ein Reliquienhändler kam winselnd heran, mit einer Schachtel in der Hand, die angeblich die Zehennägel des Pharao enthielt, der Moses verfolgt hatte. Cranston schlug seine Kapuze zurück.
»Oh, der Herr errette uns!« schrie der Mann und rannte wie ein Windhund zurück in die Schatten.
Der Menschenfischer saß auf einer Bank vor seiner Kapelle. Er war umringt von seiner seltsamen Sippschaft — Bettler und Aussätzige, deren Hände und Gesichter von offenen Geschwüren bedeckt waren. Manche waren so entstellt, daß sie Masken trugen. Neben dem Menschenfischer stand Ichthys. Der Junge hatte weder Brauen noch Wimpern; er sah aus wie ein Fisch und konnte auch so schwimmen. Sir John blieb stehen und verbeugte sich, denn er hatte großen Respekt vor dem Menschenfischer.
»Guten Morgen, Sir John.«
»Guten Morgen, meine Hübschen.« Cranston lächelte, und Athelstan machte ein Kreuzzeichen über der Gruppe.
Der Menschenfischer erhob sich mit herabhängenden Armen und erwiderte die Verbeugung. »Willkommen in unserer bescheidenen Kirche, Sir John.« Seine wässrigen Augen richteten sich auf Athelstan. »Und auch du, Bruder Athelstan. Wieder einmal führt der Tod uns zusammen.«
»Der Leichnam des Edwin Chapler«, sagte Cranston.
Der Menschenfischer reichte Ichthys seinen Bierhumpen, öffnete die Tür zur Kapelle und winkte Cranston und Athelstan weiter. Drinnen sah es aus wie in einem langgestreckten, schmalen Schuppen. An der hinteren Wand hatte man einen Behelfsaltar errichtet; zwei Kerzenhalter flankierten ein mächtiges Kruzifix. Die Wände rechts und links waren von Gemälden bedeckt, roh skizzierte Holzkohleumrisse, die mit Farbe ausgefüllt waren. Ein Bild zeigte Jonas, wie er vom Wal verschlungen wurde, auf dem anderen sah man Jesus Christus mit seinen Aposteln; sie hatten verdächtig große Ähnlichkeit mit dem Menschenfischer und seinem Zirkel, wie sie so in einer vollbeladenen Barke über den See Genezareth glitten. Es war ein gespenstischer Ort, beleuchtet von Binsenkerzen und Öllampen. An beiden Seiten reihten sich Tische, und auf jedem lag eine Leiche, aus der Themse gefischt, unter einer schmutzigen Leinwand. Die Luft war abgestanden, und trotz der großen Töpfe mit Kräutern, die unter den Tischen standen, roch Athelstan den ekelhaften Dunst der Verwesung. Der Menschenfischer dagegen schien sich hier zu Hause zu fühlen und schwatzte vor sich hin, als er sie voranführte. An einem Tisch blieb er stehen und schlug das Laken zurück. Der Leichnam eines jungen Mannes lag ausgestreckt dort, Haar, Körper und Kleidung vom Flußwasser durchnäßt, die Augen halb offen und das Gesicht von gelblich-fahler Färbung. Athelstan bemerkte die Spuren von getrocknetem Blut an den Mundwinkeln.
»Es war kein Unfall«, verkündete der Menschenfischer und drehte den Taten um.
Athelstan bemühte sich, die aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen, als er die breiige Wunde am Hinterkopf des jungen Mannes betrachtete.
»Hat er noch andere Verletzungen?« Cranston nahm einen Schluck aus seinem Weinschlauch. Dann bot er Athelstan den Schlauch an, und ausnahmsweise akzeptierte der Ordensbruder das freundliche Angebot und trank einen großen Schluck.
»Ich habe keine sehen können.« Der Menschenfischer streckte die Hand aus. »Drei Shilling, Sir John. Drei Shilling für ein Mordopfer aus der Themse.«
»Im Rathaus wird man dich bezahlen«,
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