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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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leid, aber ich muß jetzt gehen.« Alison streckte die Hand aus und wollte Athelstan eine Silbermünze reichen.
    Athelstan schüttelte den Kopf. »Es war ein Akt der Barmherzigkeit, daß ich Euren Bruder bestattet habe«, sagte er.
    Die junge Frau erhob sich auf die Zehenspitzen und küßte Athelstan auf beide Wangen. »Ich werde in der >Silbernen Laute< wohnen, bis diese Angelegenheit erledigt ist.« Sie lächelte Benedicta zu. »Ich hole nur meine Sachen.«
    Athelstan sah ihr nach. »Solltest du nicht mitgehen?« fragte er Benedicta.
    »Eine Näherin arbeitet in meinem Haus«, sagte Benedicta. »Sie wird sie hineinlassen. Was werdet Ihr denn jetzt unternehmen, Pater?«
    »Was kann ich tun, Benedicta? Du kennst diese Leute besser als ich. Das Übernatürliche ist für sie so wirklich wie Sonne, Wind und Regen. Dämonen stehen an ihrem Krankenbett, Dämonen morden ihr neugeborenes Kind, schneiden in dunklen Ecken Grimassen und lauern hinter jedem Baum.« Athelstan rieb sich das Gesicht. »Wenn man Watkin glauben kann, so rumoren nachts böse Geister in seinem Haus herum, poltern auf dem Dach und lassen die Balken knarren. Teufel heulen im Wind, strecken die Kühe auf der Weide nieder und lassen den Fluß über die Ufer treten.« Er deutete auf den Gemeindesarg, der im Querschiff stand. »Ein Bruder hat mir erzählt, wie ein Gemeindemitglied in Blackfriars einen Nagel aus einem verrottenden Sarg zog und heimlich in eine Bank trieb. Und wer sich zuerst auf diese Bank setzte, bekam dieselbe Krankheit, an der auch der Tote im Sarg gestorben war.« Mit schmalem Lächeln schaute er Benedicta an. »Worauf ich hinaus will, du Getreueste unter meinen Pfarrkindern: Die Menschen sehen ringsherum nur Teufel und Dämonen und Böses. Da ist es nur natürlich, daß sie auch Wunder und das Eingreifen Gottes sehen, Engel, die vom Himmel herabkommen, Reliquien, die die grausigsten Krankheiten heilen, und Kruzifixe, die bluten.«
    Unversehens wurde die Tür aufgestoßen.
    »Was zum Teufelsfurz ist denn da draußen los?« Cranston kam in die Kirche gerauscht. »Bruder Athelstan, sind deine Holzköpfe jetzt völlig verrückt geworden? Die bauen sich einen Tempel auf dem Friedhof!« Cranston nahm die Biberfellmütze ab und schlug sich damit gegen das Bein. »Diese Holzköpfe«, fuhr er fort, »glauben, daß da ein Kruzifix blutet. Jetzt bauen sie einen Altar dafür, und wer davor beten will, muß ihnen einen Penny bezahlen. Sie haben Kerzen angezündet, und sogar von mir wollten sie Geld haben! Ich habe ihnen gesagt, vom Coroner des Königs bekommen sie höchstens einen Tritt in den Arsch!« Cranston grinste Benedicta an, zog sie in seine Arme und drückte ihr einen saftigen Kuß auf beide Wangen.
    »Geht es Euch gut, Sir John?« fragte sie atemlos.
    »Entsetzlich, verdammt!« Der Coroner stampfte mit dem Fuß. »Komm schon, Athelstan, ich brauche dich. Laß deine Pfarrkinder. Die haben mehr Flausen im Kopf, als es Mäuse in einem Heuschober gibt.«
    »Aber eigentlich sollte ich hierbleiben«, antwortete Athelstan.
    »Unfug!« brüllte Cranston. »Komm mit, Bruder, und laß sie ihren Kram machen.«
    »Sir John hat recht«, bestätigte Benedicta sanft. »Geht nur mit ihm. Ich räume die Kirche und das Haus auf, und dann gehe ich hinaus auf den Friedhof.«
    Athelstan schloß die Augen und betete um Rat. Er wußte, daß Sir John und Benedicta recht hatten. Wenn er hierbliebe, würde er sich nur Sorgen machen oder einschreiten, und Watkin war nicht nur gebaut wie ein Ochse, er war auch genauso stur.
    »Soll ich Philomel mitnehmen?« fragte er und öffnete die Augen wieder.
    »Nein, laß dein Pferd«, sagte Cranston. »Ich bin über den Fluß gekommen. Moleskin erwartet uns an der Treppe bei der Pissing Alley.«
    Athelstan folgte Sir John hinaus auf die Kirchentreppe und starrte ungläubig zum Friedhof. Watkin hatte schnell gehandelt: In der hinteren Ecke war ein Kalvarienberg entstanden, ein Hügel aus Erde und Steinen. Darauf stand das Kruzifix, und Kerzen brannten davor. Und die Neuigkeit hatte sich herumgesprochen; die Menschen drängten sich auf den Friedhof und gaben Pike und Tab ihre Pennys, während die Gattinnen Watkins und des Grabenbauers auf und ab marschierten. Beide waren mit Eschenknütteln bewaffnet und funkelten wütend jeden an, der es wagte, sich ohne die gebührende Bezahlung ihrem Heiligtum zu nähern.
    »Wenn der Pater Prior davon hört«, murmelte Athelstan, »dann reißt er mir den Kopf ab.«
    Cranston blieb stehen.

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