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Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous

Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous

Titel: Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maxian
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Gefühls nicht erwehren, versagt zu haben. Vielleicht lag es auch am Wetter. Es nieselte. Ihre Arbeit hatte noch nicht einmal richtig begonnen, und sie trat bereits auf der Stelle. Ihr fiel ein Grundsatz des Journalismus ein: Im ersten Absatz einer Meldung mussten die Fragen Wer, Was, Wann, Wo, Wie und Warum beantwortet werden.
    Sie wussten zwar, was passiert war, wo ungefähr, wann und wie. Doch das Warum und das Wer fehlten.
    Sarah hoffte, dass Hilde sofort tot gewesen war und nicht leiden musste.
    Sie empfand den Tod ihrer Kollegin als Verlust. Hilde war zwar nie besonders freundlich zu ihr gewesen, galt als Einzelgängerin, doch sie war eine großartige Reporterin, deren Artikel bis ins kleinste Detail recherchiert waren. Niemand konnte ihr Schlamperei vorwerfen. Natürlich hatte sie sich im Laufe der Zeit viele Feinde gemacht. Anerkannte Persönlichkeiten, Geschäftsleute, Prominente. Kein Dreck, der unter dem sprichwörtlichen Teppich landen sollte, war Hilde entgangen. So gesehen würde die Polizei viel Arbeit haben.
    Sarah hatte sich die Aufgabe, die ihr Gruber fast im Vorbeigehen aufgeladen hatte, nicht gewünscht. Es war, als hätte man ihr Clownsschuhe angezogen und sie gezwungen, damit Tango zu tanzen. Journalistin war ihr Traumberuf. Leute interviewen, Geschichten aufreißen, schreiben. Eine Leiche präsentiert zu bekommen, deren Story zu übernehmen, damit hatte sie nicht gerechnet. Auf einmal überkam sie ein Gefühl der Sehnsucht nach Ruhe.
    Der Hütteldorfer Waldfriedhof lag inmitten eines dicht verbauten Wohngebietes unweit der ehemaligen Wohnung ihrer Eltern. Gegenüber vom Haupteingang war die Friedhofsgärtnerei. Sie erstand einen Strauß Tulpen. Dann ging sie zum Grab ihrer Eltern. Auch die einzige Tochter des Kronprinzen Rudolf, Elisabeth Maria, hatte hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sarah mochte diesen verhältnismäßig kleinen Friedhof. Er strahlte eine angenehme Ruhe aus. Außerdem hatte man eine schöne Aussicht auf den Lainzer Tiergarten. Aber wer kam schon wegen der schönen Aussicht auf einen Friedhof?
    Die Sträucher und Birken vor der Aufbahrungshalle hatten bereits Knospen, die Vögel stritten lautstark um die besten Brutplätze. Es war grotesk. Die letzte Ruhestätte war zugleich ein Ort des Balzens, der Paarung und der Aufzucht. Der Frühling war nicht mehr weit.
    Mit langsamen Schritten bewegte sie sich durch die Grabreihen der Gruppe 2, den Blick geradeaus gerichtet, die Tulpen in der Hand. Ein alter Mann in dunklem Trenchcoat mit Hut, Gehstock und einer Gießkanne kam ihr entgegen. Er nickte stumm und ging an ihr vorbei. Als sie sich umdrehte, war er verschwunden.
    Das Grab ihrer Eltern lag auf der linken Seite des Friedhofs mit Blickrichtung Süden, nur wenige Meter von der Leichenhalle entfernt. Sie blieb einige Momente reglos vor dem Grab stehen. Auch wenn der Schmerz über den Verlust Sarah jedes Mal die Kehle zuschnürte – wenn sie hier vor dem Totenmal stand, war sie froh, wenigstens einen Ort zu haben, wo sie ihre Eltern besuchen konnte. Die Eigentumswohnung hatten sie verkauft, um das Begräbnis bezahlen zu können und Geld für Chris’ Studium auf der Seite zu haben. Das war gerecht, fand Sarah, denn die Eltern hatten ihr das Studium finanziert und ihr die Wohnung im 16. Bezirk geschenkt.
    Kühler Wind kam auf und ließ die Welt der Toten frostig wirken.
    Drei Jahre, dachte sie, während sie auf den Grabstein aus Granit starrte, auf dem unter dem Namen ihrer Mutter in Kleinbuchstaben das Wort » volare« stand. Fliegen. Wenn es wirklich so etwas wie Wiedergeburt gab, dann wünschte sie ihrer Mutter, dass sie als wunderschöner Vogel wiederkehrte. Als Rotkehlchen oder Specht oder Eichelhäher. Ihrem Vater war es sicher egal, als was er wiedergeboren würde. Hauptsache, er war in der Nähe seiner Frau.
    Vor drei Jahren hatte ihr Leben eine Wende genommen. Plötzlich hatte sie die Verantwortung für einen Jugendlichen übernehmen müssen, dessen Trauer ihn gegen die Wand gedrückt hatte. Mit dem Gesicht voran, sodass er keine Luft mehr bekam. Keinen Sauerstoff zum Atmen, denken, leben. Sie beide hatten anfangs allem und jedem die Schuld an dem tragischen Unfall gegeben. Sarah hatte nicht die Kraft gefunden, Chris Halt zu geben. Es hatte ein Jahr gedauert, bis Chris und sie wieder herzhaft miteinander lachen konnten, ohne schlechtes Gewissen, weil sie leben durften und ihre Eltern tot waren.
    Sie kniete nieder, steckte die Blumen in die am Grabstein befestigte

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