Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
in Richtung Quellenplatz. Die Laxenburger Straße war endlos lang, führte vom Südtiroler Platz über den angrenzenden Bezirk Liesing bis über die Stadtgrenze hinaus nach Niederösterreich. Nähe Inzersdorfer Straße sah sie das Haus. Sie verglich es mit dem Foto, das Simon ihr ausgedruckt hatte, und mit dem Stadtplan.
Voilà.
Hier standen mehrere Wohnhäuser Mauer an Mauer, als würden sie sich gegenseitig stützen. Das gesuchte Haus überragte die anderen um zwei Stockwerke. Zunächst blieb sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und beobachtete die Gegend. Nichts passierte. Was hatte sie erwartet? Oder wen? Jemanden, der ihr erklärte, warum Hilde ausgerechnet dieses hässliche Gebäude fotografiert hatte?
Sie überquerte die Straße. Als sie den Wohnblock betreten wollte, kam ein Mann hinaus. Er trug einen dunklen kurzen Mantel und einen Hut, der sein Gesicht verdeckte.
Sie wären fast zusammengestoßen. » Entschuldigung«, murmelte Sarah und rückte ihre Umhängetasche zurecht, die ihr von der Schulter gerutscht war. Doch der Mann beachtete sie nicht weiter, drückte sich an ihr vorbei ins Freie und verschwand.
» Idiot!«, schimpfte Sarah leise.
Weder Klingelbrett noch Gegensprechanlage befanden sich an der Hauswand. Auf einem Metallschild stand, dass die Haustür von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens verschlossen sein musste. Im Eingangsbereich hingen Postkästen mit den jeweiligen Wohnungsnummern darauf. Weiter hinten neben dem Stiegenaufgang stand eine Couch. Witzige Idee, dachte Sarah. Für ältere Menschen war dies sicher eine Bereicherung, ein Treffpunkt, kommunikationsfördernd, und man konnte sich ausruhen, bevor man sich die Stufen zur Wohnung hochschleppte. Einen Lift gab es nicht.
Das allein konnte jedoch nicht der Grund sein, warum Hilde das Haus in ihrem Fotoarchiv hatte. Sonst sprang Sarah nichts Auffälliges ins Auge. Sie stand in einem ganz normalen Wiener Wohnhaus. Eine Wohnungstür öffnete sich. Ein alter Mann erschien. Das Hemd war ihm aus der Hose gerutscht, an den Seiten baumelten Hosenträger. Seine Füße steckten in Filzpantoffeln. Er musterte Sarah eingehend. Es schien, als warte er auf etwas. So standen sie sich einige Sekunden gegenüber. » Entschuldigung«, begann Sarah. » Ich suche …«
Der Mann drehte sich um, verschwand im Dunkel seiner Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu. Wahrscheinlich der Hausmeister. Die waren bekanntlich aufmerksam. Einen Versuch war es wert.
Entschlossen drückte Sarah auf die Türklingel.
Stille.
Noch einmal betätigte sie den Klingelknopf, diesmal länger.
Das Schlurfen von Hausschuhen, die sich der Tür näherten, war zu hören, dann das Rasseln einer Sicherheitskette.
Der alte Mann öffnete einen Spalt breit.
» Entschuldigen Sie bitte«, wiederholte Sarah. » Ich bin von der Polizei.«
Etwas in den Augen des Mannes blitzte auf und erlosch wieder. » Hm«, brummte er.
» Kann ich reinkommen? Oder wollen Sie, dass ich Sie hier vom Flur aus befrage?«
» Hm«, brummte er noch einmal und legte eine Hand hinter sein Ohr. Erst jetzt sah Sarah den Apparat. Ein Schwerhöriger.
» Ich bin von der Polizei«, wiederholte sie einigermaßen laut und deutlich. » Haben Sie Ihr Hörgerät eingeschaltet?« Sie deutete auf sein Ohr.
» Ja, ja«, antwortete er.
» Ich möchte Sie etwas fragen.«
» Ja, ja.«
» Gut«, sagte Sarah resigniert. » Haben Sie schon von der toten Journalistin in den Nachrichten gehört?« Sie hatte keine Ahnung, was sie hier tat, hoffte, dass sich irgendetwas ergeben würde.
Keine Antwort.
» Heute! Haben Sie Nachrichten gehört?«, brüllte sie nun.
» Hm«, brummte er und warf die Tür wieder zu.
Scheiße. Auf alte schwerhörige Männer hatte sie in ihrer Ausbildungszeit niemand vorbereitet.
Den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, von Tür zu Tür zu gehen, sich als Polizistin auszugeben und nach Hilde zu fragen. Wie viele Türen mochten das sein? Zehn? Zwölf? Sie verwarf den Gedanken jedoch wieder. Denn was, wenn jemand sie nach ihrem Ausweis fragte?
Draußen auf der Straße schaute sie noch einmal an der Fassade hoch. Eine Hand lugte zwischen Brokatvorhängen hervor und öffnete ein Fenster. Jemand zog die Vorhänge zur Seite, ließ sich aber nicht blicken.
Das Haus der Dämonen, dachte Sarah, wandte sich um und ging die Straße zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Durch den Vorhang sah ihr jemand lange nach.
11
W ährend der Rückfahrt konnte Sarah sich des unangenehmen
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