Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
›America‹ erschienen. Mit Sicherheit nicht auf einer ptolemäischen Karte. Aber dank der Entwicklung der Druckerpresse und der Tatsache, dass die im Verlauf der damaligen Entdeckungsreisen gesammelten Erkenntnisse laufend eingearbeitet wurden, enthält der Straßburg-Ptolemäus von 1513 als erstes Buch überhaupt den Abdruck einer Einzelkarte von Amerika. Nur Amerika. Die erste Karte, die ausschließlich diesem Kontinent gewidmet ist.« Während sie sprach, blätterte Bea mit großer Behutsamkeit in dem großen Band.
»Ein passendes Versteck für das Kartenstück, auf dem Amerika dargestellt ist«, sagte Mike.
»Ja, aber ich habe mich wohl geirrt.« Sie trennte beim Durchblättern die Seiten und strich sie glatt.
»Aber Sie sagten, es gebe noch ein Exemplar«, sagte ich. »Es ist nie wieder aufgetaucht?«
»Nur in Gerüchten«, sagte Bea. »Die von niemand Geringerem als Eddy Forbes verbreitet wurden.«
»Wie glaubwürdig war er, was Gerüchte anging?«
»Fast so gut wie im Klauen«, sagte sie. »In den Vierzigerjahren liefen die Deals zwischen den Sammlern ganz anders ab als heute. Dank des Internets wissen wir heute alle, wo sich die Bücher und Karten gerade befinden - wer etwas zu verkaufen hat und wer kaufen will. Damals ging alles sehr viel diskreter vor sich, alles wurde unter vier Augen ausgehandelt, und es gab eine Menge Geheimnistuerei.«
»Was hat Eddy Ihnen erzählt?«, fragte Mike.
»Seine Geschichte lautete, dass Jasper Hunt den zweiten Straßburger Atlas nach dem Krieg an Lord Wardington verkauft hatte. Er war immer unglücklich darüber, wenn die Bibliothek seine Hinterlassenschaften nicht wie die wichtigsten Geschenke des Jahres behandelte. Dem Käufer machte er natürlich weis, dass der Atlas nach wie vor sein Eigentum sei.« Bea schob ihre Brille auf die Stirn. »Wardington, ein wahrer Gentleman, brauchte nicht lange, um die Wahrheit herauszufinden. Er gab das Werk sofort an Hunt zurück, um ihm Gelegenheit zu geben, es bei der Bibliothek wiedergutzumachen.«
»Aber das hat Hunt nie getan«, sagte Mike.
»Zu meinem großen Bedauern«, sagte Bea. »Aber ich hatte diese Unterredung mit Eddy, lange bevor er in Schwierigkeiten geriet.«
»Sie meinen, bevor er für all die Schwierigkeiten, die er verursachte, geschnappt wurde.«
»Wieder richtig, Mike.« Bea klappte das große Buch zu und legte ihre Hand auf den Deckel. »Eddy erzählte
mir, dass Jasper Hunt das Buch noch eine Weile behielt, nachdem er es von Lord Wardington zurückbekommen hatte. Er hatte nicht die Absicht, es erneut in unserem Magazin verstauben zu lassen. Schließlich gab er das Buch seiner Enkeltochter Minerva.«
»Was?« Mike wirkte fassungslos.
»Ich bin nur der Überbringer, Detective. Das hat Eddy gesagt, und er kannte Minerva - sie hatten öfter miteinander zu tun gehabt. Also, warum sollte ich ihm nicht glauben? Es war ja nicht wichtig, bis Sie gestern dieses Kartenstück unter dem Wassertank fanden. Bis Sie mir sagten, dass diese Karte - deren Existenz ich mir nicht einmal sicher war - vielleicht etwas mit dem Mord an Tina Barr zu tun hat.«
Mike ging um den Tisch herum und schlug mit der rechten Faust in die offene Handfläche seiner linken Hand.
»Wir müssen mit Eddy Forbes sprechen. Coop, du kontaktierst am Montag das FBI«, sagte Mike. »Was hat er Ihnen noch erzählt, Bea?«
»Natürlich hatte ich auch egoistische Motive. Ich hatte mich nach dem Atlas erkundigt, weil ich ihn von der Familie zurückhaben wollte. Damit er dahin zurückkommt, wo er hingehört«, sagte die Bibliothekarin. »Eddy erzählte mir, dass Minerva den Atlas in der Bibliothek ihres Vaters aufbewahrt hatte. Sie wusste nichts damit anzufangen und hatte keine Ahnung von seinem Wert. Kurz vor seiner Verhaftung machte Eddy Forbes sie erneut mit Alger Herrick bekannt, der ihr trotz der ungeklärten Provenienz eine enorme Summe für den Atlas anbot.«
»Aus einem bestimmten Grund?«
»Ptolemäus ist ein Schwerpunkt von Herricks Sammlung«, sagte Bea. »Nach dem Tod von Lord Wardington
gilt Herrick als der bedeutendste Privatsammler von Landkarten.«
»Ja, er hat uns von seinem Bologna-Ptolemäus erzählt«, sagte ich. »Aber er sagte auch, dass Minerva sich ebenfalls für Karten interessierte. Warum hätte sie also den Atlas nicht behalten wollen?«
»Meiner Meinung nach dürfen Sie es nicht überbewerten, dass Alger Herrick so sehr hinter dem Buch her war. Das ist eher so wie die Rivalität zwischen den Red Sox und den Yankees«,
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