Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
funkelte Jill Gibson wütend an. »Solange mein Vater lebt, zeigt sich hier zum Glück jeder von seiner besten Seite. Ein Testamentsnachtrag ist heutzutage schnell gemacht.«
»Wie ist Ihr Großvater in den Besitz der Karte gekommen?«, fragte Mike. »Und warum weiß niemand, dass er sie hat?«
»Es gibt durchaus ein paar Leute, die sich dessen bewusst sind - und manche von ihnen sind gefährlicher als andere und zum Äußersten entschlossen, sie zu finden.«
»Und zu denen gehört Ihre Schwester Minerva?«
»Haben Sie schon mal ein Schwein nach Trüffeln graben sehen, Detective? Meine Schwester würde ihren wohlgeformten Rüssel in den tiefsten Dreck stecken, wenn sie dadurch die restlichen Kartenteile finden könnte.«
»Aber warum sollte sie bis zum Äußersten gehen?«, fragte Mercer.
»Weil die Wahrscheinlichkeit, alle Stücke der Karte
zu finden, mit der Zeit immer geringer wird«, sagte Hunt.
»Und die Einzelteile sind bei weitem nicht so wertvoll wie die Karte als Ganzes«, ergänzte Mike. »Aber wenn Ihr Großvater sie als Ganzes gekauft hat, wieso hat er sie dann auseinandergerissen?«
»Weil Jasper Hunt jr. verrückt war.«
»Das sagte Ihre Schwester bereits.«
»Das ist seit Ewigkeiten die erste wahre Aussage, die ich aus ihrem Mund gehört habe«, sagte Hunt. »Wir haben ihn kaum gekannt - er starb, als wir noch klein waren -, aber die Geschichten über ihn sind Legion. Er liebte Spielchen und Tricks, Mr Chapman. Je älter er wurde, desto komplizierter. Wie es bei den Reichen so oft der Fall ist, wollte er alles mit ins Grab nehmen. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ein Vermächtnis zu hinterlassen, das über seinen Tod hinaus wirkt, oder, wie ein Pharao, mit all seinen irdischen Besitztümern die letzte Reise anzutreten.«
»Wie kam er dazu, die Karte zu kaufen?«, fragte ich.
»Nach Auskunft meines Vaters war Großvater dreißig Jahre alt, als Josef Fischer diese Karte entdeckte. Die Nachricht ging natürlich um die Welt und obwohl Jaspers Hauptinteresse den Büchern galt, war er, wie die meisten Sammler, fasziniert von dem Gedanken, dass man nach so langer Zeit noch immer unberührte Schätze in einer Privatbibliothek finden konnte. Also schmiedete er einen Plan.«
»Und wie sah der aus?«, fragte Mike.
»Jasper bat seinen Kurator, Nachforschungen über die kleineren europäischen Adelsfamilien anzustellen, wie die Waldburgs von Schloss Wolfegg, wo man die Karte gefunden hatte. Königreiche, Fürsten- und Herzogtümer,
die Bibliotheken besaßen, als 1507 die Karte gedruckt wurde, und deren Residenzen die nächsten vier Jahrhunderte überdauert hatten. Es war allgemein bekannt, dass diese Dokumente gleich nach ihrem Erscheinen vom Adel erworben wurden.«
»Das leuchtet mir ein«, sagte Mercer.
»Drei Jahre später, nach Abschluss eines sorgfältigen Studiums der europäischen Geschichte, gelangte Jasper zu der überraschenden Feststellung, dass nur wenige der noch existierenden Anwesen nicht geplündert worden waren oder mehrfach den Besitzer gewechselt hatten. Also beschloss er mit seinem Kurator - und seinem Privatbankier -, eine Bildungsreise durch Europa zu unternehmen.«
»Einzig und allein, um nach dieser Karte zu suchen?«, fragte ich.
»Der vorgeschobene Zweck der Reise war, dass der große amerikanische Büchersammler Jasper Hunt jr. eine Wallfahrt zu Europas ältesten Fürstenbibliotheken unternahm, um seine Sammlung zu erweitern. Aber Großvater wusste, dass viele dieser Adeligen zwar noch ihre Titel trugen, aber den Großteil ihres Reichtums und ihre feudale Lebensweise verloren hatten. Folglich könnten viele Bereitschaft zeigen, ihm ihre wertvollen Werke zu verkaufen - vielleicht sogar die Weltkarte.«
»Aber gab es denn nicht einen regelrechten Ansturm auf die Karte, nachdem ihre Entdeckung bekannt geworden war?«
»Ehrlich gesagt, nein, Mr Wallace«, sagte Hunt. »Sehen Sie, Fürst Waldburg hatte gar nicht die Absicht, seine Karte zu verkaufen. Für Aufregung sorgte ganz einfach die Tatsache, dass sie überhaupt existierte und noch dazu in einem so guten Zustand. Kartografen
aus aller Welt wollten sie sehen und begutachten, aber der Fürst gab deutlich zu verstehen, dass er die Karte um keinen Preis verkaufen wolle. Deshalb hat man ihr auch nie einen Marktwert zugewiesen. Erst hundert Jahre später - vor wenigen Jahren - wurde bekannt, dass die Library of Congress Interesse am Erwerb der Karte bekundet hatte.«
»Ihr Großvater wusste also nicht, dass
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