Toedliches Versprechen
Josh seinen Vater noch nie um etwas gebeten hatte, seitdem er in Ungnade gefallen war. Einen Moment zögerte Thomas, dann nickte er.
Josh stieß die Luft aus, die er, ohne es zu merken, angehalten hatte. »Kannst du hierbleiben? Meine Kollegen sind unterwegs. Sie müssten jeden Moment eintreffen. Kannst du dich um alles kümmern?« Er legte seine Waffe auf den Boden. »Ich lasse die Waffe, mit der ich ihn erschossen habe, hier.«
»Wo willst du hin?«
»Ich muss zu meiner Freundin. Sie ist in Gefahr. Wenn meine Kollegen fragen, wo ich bin, sag ihnen, ich sei ins St. Josephs gefahren. Griffin Gordon hat herausgefunden, wo sich Dr. Montgomery aufhält.«
»Deine Freundin?« Sein Vater fasste ihn scharf ins Auge.
Richtig, er wusste noch nichts von seiner Beziehung. Josh hatte sich mit dieser Ankündigung zurückgehalten, weil er nicht wusste, wie sein Vater auf die Verbindung reagieren würde. Schließlich war sie ein Mädchen aus dem Mittleren Westen, das uneheliche Kind eines Versicherungsvertreters, nicht wirklich standesgemäß für einen Winters . Auch wenn Stevens ein verdammtes – ein totes, aber verdammtes – Arschloch war, so war nicht alles aus der Luft gegriffen, was er gesagt hatte.
»Dr. Montgomery ist deine Freundin? Die Frau, die deine Mutter nach ihrem Schlaganfall behandelt hat?«
»Ja, Hannah Montgomery.«
Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte kurz zu. »Geh schon. Ich habe hier alles im Griff.«
Das war mehr Zuneigungsbekundung als in den vergangenen fünfzehn Jahren. Joshs Knie hörten auf zu zittern. Er wurde ruhiger. Mit seinem Vater würde er sich auseinandersetzen, wenn das alles vorbei war. Jetzt musste er Griffin Gordon erwischen. Bevor der Hannah erwischte.
Er zog seine Zweitwaffe aus dem Knöchelholster und steckte sie hinten in den Hosenbund. »Kümmere dich auch um Stevens Frau. Sie braucht wahrscheinlich einen Rettungswagen.« An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Danke, Dad.«
*
»Gut, dass du da bist, Hannah«, rief ihr ein Arzt aus der Notaufnahme im Vorbeilaufen zu. »Hier ist die Hölle los.«
»Was ist passiert?« Doch der wehende Kittel des Kollegen war bereits um die Ecke verschwunden. Hannah wandte sich an Schwester Gerty.
Die knochigen Arme vor der Brust verschränkt, starrte diese sie an. »Ich glaube nicht, dass Sie hier sein sollten.«
»Das soll nicht Ihr Problem sein, Schwester. Was ist los?«
Gerty zuckte mit den Schultern. »Es gab einen Busunfall auf der Interstate. Ein Haufen älterer Herrschaften saß in dem Bus. Viele Schnittverletzungen und Brüche, aber nichts Lebensbedrohliches, zumindest im Moment.«
Gut. Das bedeutete viel Arbeit, ohne dass das Leben eines der Patienten auf dem Spiel stand. Sie wusste nicht, ob sie es heute verkraften würde, wenn ihr jemand unter den Händen wegstarb. Dafür war ihr Nervenkostüm zu dünn. Sie schlüpfte in ihre Krankenhauskluft und begann zu arbeiten. Immer wieder warf sie einen Blick über die Schulter und scannte die Gesichter der Anwesenden. Aber sie konnte Griffin nirgends entdecken. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie von der Routine der Notaufnahme gefangen genommen. Sie konzentrierte sich auf die Menschen, die ihre Hilfe brauchten. Die Bedrohung, die von Griffin ausging, verblasste allmählich und trat in den Hintergrund. Hannah war hier sicher. Unter Ärzten, Schwestern und Patienten. Er konnte ihr hier nichts anhaben.
Langsam wurde es etwas ruhiger. Die meisten Schnitte und Platzwunden waren genäht, Knochenbrüche geschient oder die Patienten noch beim Röntgen. Hannah rollte ihre Schultern und warf einen Blick auf ihren Piepser. Sie wurde in Untersuchungsraum fünf gebraucht. Zügig ging sie den Gang hinunter und öffnete die Tür des Zimmers. »Guten Tag, ich bin Dr. …« Die Liege war leer. Noch bevor die Alarmglocken in ihrem Kopf anschlugen, spürte sie ein Stechen an ihrem Hals. Sie hob die Hände, um die Spritze abzuwehren, die in ihrer Haut steckte. Es war zu spät. Die Welt vor ihren Augen verschwamm, so sehr sie sich auch um einen klaren Blick bemühte. Einen Moment später verlor sie das Bewusstsein.
*
Es war zu einfach gewesen. Griffin ließ die Ketaminspritze fallen und fing Hannahs schlaffen Körper auf, der gegen ihn sackte. Perfekt.
Er hatte sie eine Zeit lang arbeiten lassen und gewartet, bis es etwas ruhiger wurde. Dann hatte er sie anpiepsen lassen. Pflichtbewusst hatte sie Untersuchungsraum fünf betreten – und war in die
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