Toete John Bender
Vorteilen für das Kennenlernen von Mädchen ausgestattet hatte; der aber, wenn er mit einer ausgegangen war, seine Kumpel mit schmutzigen Details versorgte. Der John Bender auf der Bühne war ein absoluter John Bender-Versager !
Licht warf einen grünen Lichtschein auf den Schauspieler, als dieser zum Monolog ansetzte. Bender zeigte sich irritiert, Weißhaupt warf einen wütenden Blick zur Technikkabine. Licht korrigierte die Abweichung im Ablauf, lächelte Christian an, der den Lapsus ebenfalls bemerkt hatte und ihn entsetzt anstarrte. Licht hob eine Hand mit abgespreiztem Daumen in die Höhe und wartete. Das war nur eine Ankündigung dessen, was noch folgen sollte.
Das Stück stolperte seinem dramaturgischen Finale entgegen, welches das Ensemble ›Aussöhnung zum Guten‹ genannt hatte. John, Claire, Allison, Andrew und Brian standen Hand in Hand auf der Bühne und setzten zu einem gemeinsam gesprochenen Part an, als Licht Christian von seinem Stuhl stieß. Licht zog alle Regler runter, das Saalmikrofon bis zum Anschlag auf, und drückte auf die Starttaste des Kassettenrekorders, der in der Technikkabine stand. Ein schrilles Pfeifen und das Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel erklangen. Die zu den Ohren hochgerissenen Hände des Publikums zeigten Licht , dass sich die mühevoll zusammengestellten Aufnahmen gelohnt hatten. Licht knipste die Saalbeleuchtung an, zehrte von den irritierten, bis vor Schreck erstarrten Mienen, beendete das Klangexperiment, pegelte die Lautstärke auf ein erträgliches Maß hinab, ging nah ans Mikrofon und schloss die Augen.
»Nietzsche«, sagte Licht und legte eine genießerische Pause ein. »Aus: ›Warum ich ein Schicksal bin‹.«
Christian starrte Licht an, hielt sich an seinen Kopfhörern fest.
Licht sah alle vor dem inneren Auge. Wie sie sich wanden, sich quälten, sich an ihr jämmerliches Leben klammerten, ehe sie durch Worte der Wahrheit zerplatzten; sich entstellten, bis hinter ihrer Maske der Verlogenheit die Fratzen des realen Lebens hervor brachen. Licht wusste, es blieb nicht viel Zeit. Weißhaupt und Kaiser waren bestimmt schon aufgesprungen und rannten zu Licht und Ton .
Licht atmete tief ein, beugte sich noch näher ans Mikrofon. »Die Guten, die können nicht schaffen , die sind immer der Anfang vom Ende. Sie kreuzigen den, der neue Werte auf neue Tafeln schreibt, sie opfern sich die Zukunft, sie kreuzigen alle Menschen-Zukunft! Die Guten. Die waren immer der Anfang vom Ende … Und was auch für Schaden die WELT-VERLEUMDER tun mögen, der Schaden der Guten ist der schädlichste Schaden. «
Licht lehnte sich zurück, kostete das gesprochene Wort wie ein Regisseur, der ein Theaterstück betrachtete, verglich die Vorstellung darüber mit dem, was Licht eben gesprochen hatte und war nicht zufrieden. Fast. Aber nicht ganz.
»Ihr riecht nach Tod«, flüsterte Licht abschließend ins Mikrofon und schaltete alle Bedienelemente aus.
Das war es mit der Schule, der Theater-AG, den scheiße netten und scheiße gut aussehenden Mitschülern.
Das war es.
Endlich.
***
T om Breuer, Seniorcoach und Geschäftsführer von ›Cazimi Coaching‹ sah sich flüchtig die Personalakten seiner Klienten und das Ziffernblatt seiner Taucheruhr an. 13:45 Uhr – eine Viertelstunde bis zum gemeinsamen Treffen in der Offiziersmesse der ›MS Paloma‹, eines Dreimasters, bis hierhin ihre Unterkunft und ihr Lebensraum für die letzten Tage. Hier trennte sich die Spreu vom Weizen, wie er seinen Mitarbeitern anvertraute. Die große Crew mit den gewöhnlichen Führungskräften würde weiter nach Kopenhagen segeln, die Premiumkunden durften mit ihm ein spezielles Führungskräftecoaching erleben. Ein Wochenende Survival-Training auf der Insel Tyreholm in der dänischen Südsee. Ein besonderes Wochenende auf einer besonderen Insel.
Sein Blick blieb an dem Foto einer Teilnehmerin haften. Süß! Er zog die Akte heran und blätterte sie durch. Sechsunddreißig Jahre jung, Hobbys: Sport und »Leben«. Sie war ihm schon auf dem Segeltörn aufgefallen, besser gesagt ihre Figur, die in ihm Bilder von gutem Sex erzeugte.
Er schob die Akte beiseite und überprüfte seine anstehende Performance, die Begrüßung. Kleidung: Perfekt! Interieur: Angemessen! Begrüßungstext: Steht! Um seinem Timbre seinen Wohlklang zu verleihen, trank er einen Schluck Wasser und stand auf. Er reckte sich, spannte seine Muskeln nach einem bestimmten Muster an, öffnete die Tür zur Messe und erblickte den
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