Töten Ist Ein Kinderspiel
„Was ist denn hier für ein Krach?“ Dann sah sie Erkner mit der Pistole und erstarrte.
„Polizei. Gehen Sie wieder in die Wohnung und schließen Sie die Tür. Sofort!“, herrschte er sie an, ohne Ben Mangold aus den Augen zu lassen, der sich an ihm vorbei, nach oben schieben wollte. „Und Sie bleiben stehen, hab ich gesagt! Rumdrehen, los, Hände auf den Rücken.“
Ben Mangold widersetzte sich nicht, drehte sich um und sagte wieder: „Sie müssen ihn da rausholen!“
Der Junge machte wirklich einen hysterischen Eindruck, und für einen Moment dachte Erkner darüber nach, ob Valero wirklich da oben eingesperrt war, sich womöglich befreit und auf Berger geschossen hatte, der nun in seiner Gewalt war.
Erkner spürte, wie die Nachbarin ihn durch den Spion beobachtete, und betete, dass nicht genau in diesem Augenblick, in dem er Ben Mangold mit Handschellen an das Treppengeländer fesselte und nach Waffen durchsuchte, noch jemand auf die Idee käme zu fragen, was hier vor sich ginge.
„Hier!“ Ben hielt mit der freien Hand einen Schlüssel hin, den Erkner ihm abnahm und in die Hosentasche steckte. „Er passt zu der mit schwarzem Stoff überzogenen Tür neben dem Studio.“
Was zum Teufel sollte er nur machen? Verstärkung holen oder versuchen, im Alleingang etwas auszurichten? Er durfte keine Zeit verlieren, er musste handeln.
„Du bleibst hier, Gregory und passt auf ihn auf!“, befahl er dem Hund, der ohnehin nur auf Diana hörte. Dann schob er sich, Stufe für Stufe mit dem Rücken an der Wand langsam das Treppenhaus nach oben. Er hatte nur eine Chance: Er musste oben sein, bevor der andere auf Diana schießen würde. Um Berger würde er sich dann kümmern müssen. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, und zum ersten Mal in seiner Zeit als Polizeibeamter hatte Frank Erkner Todesangst.
Plötzlich hörte er über sich eine vertraute Stimme: „Sag mal, übst du für den nächsten James Bond oder gehst du immer so die Treppen hoch?“
Erkner sah nach oben und erkannte Berger, der sich grinsend über einen gedrechselten Treppengeländerknauf beugte und zu ihm hinuntersah. „Hier oben gibt’s Arbeit für einen Notarzt und bei dir?“
Im Bruchteil einer Sekunde purzelten sämtliche Gedanken und Gefühle über dem Oberkommissar zusammen, ihm wurde heiß und kalt zugleich, das Treppenhaus begann sich leicht zu drehen, seine Knie sackten ihm weg, er sank auf dem Treppenabsatz zusammen und fing, die Pistole im Schoß, hemmungslos zu weinen an. Er bemerkte nicht, wie Berger an ihm vorbei zu dem ebenfalls völlig aufgelösten Benjamin Mangold ging und sich um ihn kümmerte. Wie von fern nahm er wahr, dass sich Diana neben ihn setzte, den Arm um ihn legte und Gregory um ihn herumwedelte. In seiner Brust tobte ein Sturm, ließ seinen Körper zittern und verursachte ihm Übelkeit. Nur langsam kam er wieder zu sich und als wenig später zwei Sanitäter kamen, um den dehydrierten Estebán Valero auf einer Bahre abzutransportieren, fühlte er sich zwar noch schwach, weigerte sich aber, sich von dem Notarzt untersuchen zu lassen.
„Mit mir ist nichts, ich bin vollkommen in Ordnung“, wehrte er ab.
„Vielleicht mal Blutdruck messen?“, schlug sein Kollege vor.
„Quatsch.“
„Aber dein Kreislauf ist doch total weggesackt!“, sagte Diana.
„Lasst mich einfach in Ruhe!“, herrschte Erkner sie an und lief mit großen Schritten in Richtung Sportplatz davon.
Diana wollte ihm mit Gregory nachgehen, aber Wolfram Berger hielt sie zurück.
„Lass mich mal. Das ist beruflich“, sagte er, und nachdem er Benjamin Mangold in die Obhut des zweiten Sanitäterteams gegeben hatte, folgte er Erkner. Der Oberkommissar saß auf einer Parkbank und hatte die Beine ausgestreckt. Berger setzte sich daneben und eine Weile sagten beide nichts.
„Das hätte schwer ins Auge gehen können“, begann Berger nach einer Weile. „Wir haben uns und vor allem Diana in unnötige Gefahr gebracht. Ich hätte niemals einfach so da reingehen dürfen, weder in die Wohnung noch in den Raum, in dem Valero eingeschlossen war. Aber ich hab das Vorhängeschloss gesehen und es einfach seitlich weggeschossen. Wie ein Anfänger.“
Erkner nickte schweigend und beide starrten auf die weiter entfernt Fußball spielenden Jugendlichen in roten und blauen Trikots.
Erkner schluckte. „Ich dachte wirklich für einen Moment, dich hätte es erwischt.“
Wieder schwiegen sie.
„Hat es aber nicht“, sagte Berger dann.
Beide dachten das
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