Töten Ist Ein Kinderspiel
Sicherheit jeweils einen Beamten vor die Krankenzimmertür.
„Bei Valero besteht Fluchtgefahr, und Ben traue ich inzwischen auch eine Menge zu“, sagte er zu Erkner.
„Wir müssen uns genau überlegen, wie und wann wir den jungen Mangold verhören.“
„Vielleicht können wir uns das sogar sparen, wenn wir Valero zu einem Geständnis bewegen.“
Beide waren von dessen Schuld und von Bens Unschuld hundertprozentig überzeugt, und wenn es sich vermeiden lassen sollte, dass der junge Mangold wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung angeklagt würde, wäre das sicher auch im Sinne von Inge.
„Was treibt eigentlich unsere Chefin im Süden?“
„Sie nimmt sich eines unaufgeklärten Verbrechens in den Achtzigern an, wenn ich das richtig verstehe. Aber so genau blicke ich da auch nicht durch.“ Er reichte seinem Kollegen die Akte mit der Kopie des Berichtes, den Verónica sich hatte faxen lassen. Erkner überflog die Seiten schnell und pfiff dann durch die Zähne.
„Unsere Pfarrerin war als Jugendliche in einen Mordfall verwickelt?“
„Das kann man so nicht sagen. Sie wurde als Zeugin befragt. Aber es fällt genau in die Zeit, über die sie nicht Buch geführt hat. Vielleicht kannte sie ja den Täter oder das Opfer.“
„In dem Alter Freunde auf diese Weise zu verlieren, ist auch heftig“, bemerkte Erkner und legte die Akte zurück.
„Es ist in jedem Alter heftig, Freunde zu verlieren“, entgegnete Berger. „Oder Verwandte.“
„Meinst du, deshalb ist auch Ben Mangold durchgeknallt?“
„Möglich.“
„Fast wäre er vom Opfer zum Täter geworden.“
„Sind nicht alle Täter irgendwann einmal Opfer gewesen?“
Erkner sah Berger erstaunt an. „Jetzt machst du es dir aber ein bisschen einfach.“
„Wieso? Ich habe ja nicht gesagt, dass Opfersein es rechtfertigt, andere zu töten. Dafür gibt es nie eine Entschuldigung. Aber hast du schon mal einen Mörder erlebt, der keine Vorgeschichte hatte? Gewaltbereitschaft fällt doch nicht vom Himmel. Selbst die berühmte Kurzschlusshandlung ist doch nur möglich, wenn jemand unter Strom steht.“
„Ich weiß nicht. Das klingt ja gerade so, als könnte man Morde verhindern, wenn man dafür sorgte, dass alle mit sich im Reinen sind.“
„Davon bin ich überzeugt.“
„Du bist ein Träumer.“
„Nein, ein Pragmatiker.“ Berger klopfte sich auf den Bauch. „Im Übrigen einer, der Hunger hat, wie steht es mit dir?“
„Gehen wir heimlich Hamburger?“
Berger grinste zufrieden. Solche Wochenenden gefielen ihm.
Sonntagmorgen
Gerhild Hoffmann war mehr als erstaunt zu hören, dass die beiden Kommissarinnen sie zu ihrem Sohn befragen wollten.
„Aber das ist doch schon so lange her. Und ich habe so oft alles gesagt, was ich weiß. Warum kann man es nicht endlich ruhen lassen?“
„Dürfen wir trotzdem hereinkommen?“
Widerwillig öffnete Gerhild Hoffmann die Haustür etwas weiter und bat die Frauen in die Küche.
„Kaffee?“
„Gerne“, antwortete Inge Nowak.
„Wissen Sie, man versucht, nicht daran zu denken, vergessen kann man es sowieso nicht. Als mein Mann noch lebte, haben wir nie darüber gesprochen. Da war es einfacher. Da konnte ich mich ablenken, so tun, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen, jedenfalls manchmal. Jetzt geht das nicht mehr. Ich bin neunundsechzig, Hannes ist jetzt bald dreiundzwanzig Jahre tot und trotzdem denke ich immer noch, er könnte gleich die Tür hereinkommen, seine Tasche auf den Stuhl werfen und rufen: Ich hab Hunger!“ Sie schob die Vorrichtung mit dem Kaffeefilter in die Maschine und schaltete sie an. „Er hatte immer Hunger, wissen Sie? Von Anfang an.“ Aus dem Küchenschrank holte sie eine Dose und drapierte einige Kekse daraus auf einen Teller. „Hannes war ein Contergan-Kind. Man hatte mir das Zeug verschrieben, da hätte es gar nicht mehr auf dem Markt sein dürfen! Aber wen hat das damals interessiert? Alle haben gedacht, er hat sich umgebracht, weil er behindert war. Aber das stimmt nicht! Hannes war ein Kämpfer, er hätte das geschafft. Er hatte seine Behinderung akzeptiert.“
„Was war dann der Grund?“
„Ich weiß es nicht. In all den Jahren habe ich mir die Frage immer wieder gestellt. Hannes war kein unglücklicher Junge. Er war klug, wollte partout nicht auf die Sonderschule und hat ganz normal Abitur gemacht. Medizin studieren, das war sein Traum.“ Gerhild Hoffmann war traurig, aber man sah, dass ihr schon lange die Tränen ausgegangen waren.
„Hatte er
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