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Deutschland gemacht hat.«
Das saß.
Holzwanger spürte schon nach einem halben Arbeitstag, dass er auf seinem Chefposten deplatziert war. Und er wusste, dass man ihn abberufen würde, sobald Weinberger seine schützende Hand über ihm zurückzog.
»Wer weiß das?«
»Was?«
»Dass Weinberger ein Maulwurf ist.«
»Ich, Grin, Cage … Melissa.«
»Und warum haben Grin und Cage ihn dann nicht rausgeworfen?«
»Schätze, das wäre ziemlich dumm.« Kingfish öffnete den Kühlschrank und betrachtete nachdenklich die Butterdose. »Seit Nine Eleven gibt es ein US – Gesetz, das alle Unternehmen zur Kooperation mit der Regierung zwingt. Es reicht, dass ein Regierungsfuzzi einen NSL auf den Tisch knallt, dann muss das Unternehmen alle Daten rausrücken, die die CIA interessieren.« Er nahm ein Messer aus einer Küchenschublade und zerschnitt die Butter in mehrere Teile. »War nichts.«
» NSL ?«
»National Security Letter. Ist so eine Art Sesam-öffne-dich für die CIA . Erspart dem Staat viele Hacks – zu denen er eh nicht in der Lage wäre. Nur Loser gehen zur CIA .«
Mit dem Zeigefinger zerstieß er den Deckel eines Joghurtbechers und rührte darin herum. »Weiß gar nicht, ob die Dongles Feuchtigkeit vertragen«, murmelte er leise. Dann fuhr er mit normaler Stimme fort: »Wenn Toggle so etwas passieren würde, müsste Toggle dagegen klagen, um sein Image zu wahren. Andere Firmen machen das auch, wenn sie einen NSL erhalten. Ist aber langwierig, teuer und bringt schlechte PR . Fließen die Informationen dagegen unbemerkt nach Washington ab, wäscht Toggle seine Hände in Unschuld. Die Regierung kriegt, was sie will, und Toggle kann empört auf die Machenschaften Washingtons verweisen, falls doch was auffliegt. Hey, in dem Spiel befindest du dich gerade!«
»Nein!«, sagte Holzwanger entschieden.
»Prima, deine Tochter wäre stolz auf dich«, lobte der Programmierer. »Ihr Herz schlägt nämlich für Wikileaks und nicht fürs Establishment.«
»Was weißt du von meiner Tochter? Ach ja, alle privaten Lebenszusammenhänge sind öffentlich«, giftete Holzwanger.
Janek Jabłoński schüttelte den Kopf. »In dem Fall meinte Melissa nur, ich solle deiner Olga ein bisschen auf die Sprünge helfen.« Er hob beschwörend die Hände. »Aber ich habe mich nicht an ihr vergriffen, sondern sie bloß übers Internet kontaktiert. Wir kennen uns nicht persönlich.«
»Vielleicht auch noch nach Melissas Tod? Zum Beispiel unter ihrem Namen bei Myface?«
Kingfish verzog schuldbewusst das Gesicht.
»Das hat mir eine nächtliche Debatte über Leben und Tod eingebracht«, sagte Holzwanger.
»Na, dann hatte es ja doch einen Sinn«, meinte Kingfish versöhnlich. »Ich hoffe, du hast die Unsterblichkeit der katholischen Seele betont.«
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Haselmarsch
Montag, 3. August, 11 : 45
Alexandre Ranchin hatte sich neben Pia auf das zerschlissene Familiensofa gesetzt und beobachtete mit einer gewissen Erregung, in welcher Geschwindigkeit seine Gastgeberin die von ihm mitgebrachten Knobelspiele löste: ineinander verschlungene Kettenglieder, geometrische Figuren, deren Symmetrie sich verschoben hatte – ein ganzes Arsenal vertrackter IQ – Prüfsteine.
Pia fand es ein bisschen albern.
Aber sie hatte schon immer einen guten räumlichen Orientierungssinn besessen und ließ sich deshalb nicht einmal von Olgas kratzendem Geigenspiel aus dem Obergeschoss ablenken.
»Das genügt«, sagte Ranchin. »Sie sind wirklich außerordentlich schnell.«
»Und wofür darf ich meine besonderen Fähigkeiten im Dienste der IAS einsetzen?«, flachste Pia, ein bisschen stolz über das Lob. »Taschendiebstahl, Tresorknacken oder … wie heißt dieser Männersport, bei dem man Schlösser knackt? Lockpicking?«
»Es geht nicht um besondere Fähigkeiten«, entgegnete Ranchin. »Kennen Sie den Satz von Goethe über den Zweck von Erziehung? ›Fähigkeiten werden vorausgesetzt, sie sollen zu Fertigkeiten werden.‹ Sehr schön! Doch es geht auch nicht um Fertigkeiten, sondern um Ihren Gesamtlevel. Sie rangieren ziemlich weit oben. Sehr weit«, wiederholte er mit einem seltsam verträumten Klang in der Stimme.
»152, wenn Sie den IQ meinen.« Es war Pia unangenehm, darüber zu reden. »Aber ich bin offen für alle Argumente, die Werte jenseits von 140 infrage stellen, weil die statistische Basis zu klein ist, um derart trennscharfe Aussagen zu treffen. Exakt gesagt: Wer glaubt, er habe einen IQ von 152, ist offensichtlich nicht
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