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zärtlich die Hand in den Nacken.
»Ich bin nicht darauf eingegangen«, schob sie seine Hand zurück, denn sie fühlte sich seines Trostes unwürdig. »Doch eben rief mich mein Kusin an. Er beschwor mich, um Himmels willen keine Unruhe zu stiften, weil er sonst nicht wisse, was mir passieren würde.«
»Was passieren?«, fragte Holzwanger beunruhigt.
Pia zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ein plötzlicher Todesfall, wie bei deiner Chefin?«, meinte sie zynisch.
Ihr Mann fuhr zusammen. »Pia …«, sagte er gedehnt. »Ich wollte nicht, dass du –«
»Joachim war eben auf dem Sprung nach Mellau«, unterbrach sie ihn. »Dort trifft sich die Spitze des Vereins. Hätte ich mir gleich denken können, dass er ganz oben mitmischt! Er ist genauso ein Intelligenzdarwinist wie Ranchin.«
»Der kommt auch?«
»Natürlich. Alles eine Bande!«
Holzwanger schwieg einen Moment. Dann brach es aus ihm heraus: Janek Jabłońskis Enthüllungen, die Doppelidentität Weinbergers, Melissas Verstrickungen, Toggle Democracy. Als er zur verzweifelten Suche nach den beiden Kryptochips kam, musste Pia zweimal heftig schlucken und gestand dann verlegen, dass die Dongles immer in ihrer Nähe gewesen seien.
»Es ist nicht deine Schuld«, beschwichtigte sie Holzwanger. »Wenn ich mich mehr um Joshi gekümmert hätte, hätte ich es herausfinden können.«
»Wo ist dieser Janek Jabłoński jetzt?«, fragte Pia räuspernd, um den Kloß in ihrem Hals wieder loszuwerden.
»In seinem Hotelzimmer. Seit 48 Stunden sucht er nach einer Softwarelösung, um die Zugangssperre auch ohne Dongles auszutricksen. Scheint ihm aber nicht zu gelingen.«
»Ich will ihn kennenlernen!« Pia hatte sich wieder gefangen. »Deinen Schilderungen nach bist du ihm nicht gerecht geworden, du Superchef!« Sie lächelte zaghaft, doch schwang Tadel in ihrer Stimme mit. »Ungewöhnlich talentierte Mitarbeiter muss man ungewöhnlich aufmerksam behandeln.«
Olga und Joshi blieben alleine zu Hause, und nachdem ihre Eltern in die Stadt gefahren waren, kehrte unerwartete Ruhe ein. Olga hatte nichts dagegen, dass Joshi ein paar Trickfilmserien im Fernsehen guckte, und Joshi versprach im Gegenzug, seine Schwester nicht zu stören. Die Dreizehnjährige musste sich einen Twitter-Account zulegen.
Bislang hatte es keinen Grund dafür gegeben. Keine ihrer Freundinnen twitterte, den Dienst benutzten nur einsilbige Jungen. In 140Zeichen ließen sich Mode- und Beautytipps wirklich nicht erschöpfend unterbringen. Aber wenn man der Welt sehr schnell etwas mitteilen wollte, um dem eigenen Vater seine Sturheit heimzuzahlen, gab es nichts Besseres als Twitter dafür.
Zu Olgas Erleichterung vollzog sich die Anmeldeprozedur in Sekunden. Ein bisschen länger brauchte sie, um herauszufinden, wie sie es als Newcomerin ohne Follower schaffte, ihre Mitteilung weltweit zu streuen. Hashtags waren wichtig, begriff sie, Rautenzeichen vor einzelnen Worten. Mit einem Hashtag vor ›Toggle Win‹ ordnete sich die Nachricht automatisch in den weltweiten Twitterstrom über das Gewinnspiel ein.
#Toggle Win. Lösungswort: Argleton.
Olga dachte kurz nach. Dann löschte sie den deutschen Begriff wieder. Es war dringlicher, dass Briten die Nachricht lasen. Am besten Briten aus Liverpool und Umgebung.
#Toggle Win: Argleton. #Liverpool.
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102
Cheltenham ( GB )
Mittwoch, 5. August, 10 : 30
»Das Merkwürdige ist«, meinte Walter Weinberger, während er mit Archibald Wooster im Kasino des GCHQ – Doughnut bei einem nicht ganz statthaften morgendlichen Brandy saß, »dass die Typen auf den Fotos viel sympathischer wirken als in Wirklichkeit. Dieser Dijkerhoff, dieser Ranchin – mit denen möchte man kein Glas heben!«
»Die Aufnahmen stammen alle von offiziellen Universitätswebseiten«, entgegnete der Brite.
»Ich dachte aus Prospekten von Gesichtschirurgen«, spottete Weinberger.
»Man merkt, dass du von der Luftwaffe und nicht aus der Intelligenz kommst«, konterte Major Wooster. »Die Veränderungen der Welt sind bei dir noch nicht so recht angekommen.« Er winkte eine junge Frau zu sich, die mit ihrem Teeglas am Nachbartisch saß.»Maggie, sei so gut und erkläre dem Kollegen aus den USA mal das Geheimnis fotografischer Schönheit!«
Maggie lächelte – nicht unsympathisch, doch weit davon entfernt, als Schönheit gelten zu können – und wechselte zu den Männern hinüber. »Sie möchten etwas über den Cohen-Or-Algorithmus hören?«, erbot sie sich eifrig.
»Die
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