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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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prospektive Nachfolgerin von Melissa Stockdale? Das stinkt, Walt! Und wieso hast du diesen Nikolaus Holzwanger mit einem Tritt die Karriereleiter hinaufbefördert? Es gibt nichts in seinem Lebenslauf, was ihn dazu befähigt.«
    Weinberger lächelte schwach: »Er ist ein gutmütiger Trottel, aber ich dachte, er könne uns nützlich werden.«
    Major Archibald Wooster rief ein anderes Computerprogramm auf. Es sah ein bisschen nach dem Leitstand eines Kraftwerks aus. Viele Messkurven flackerten über den Schirm.
    »Wir haben ein weltweites Twitter- und Myface-Monitoring eingeführt«, erläuterte er, »damit wir rechtzeitig mitbekommen, wenn sich irgendwo auf der Welt politische Lawinen lösen. Ehrlich gesagt, dachten wir dabei mehr an Revolten im Commonwealth oder an Geschichten wie Un Millón de Voces Contra Las FARC auf Myface, diesen kolumbianischen Volksaufstand gegen die Linksguerilla, der als simple Myface-Seite begann. Aber wir haben uns geirrt. Die Gefahr kommt direkt aus der Mitte der Netzwerke. Sie sind nicht länger Mittel zum Zweck, sondern selbst zum Machtfaktor geworden. Die International Association of Supremacy, der Name spricht Bände, will Toggle und Myface zu ihren Wirtstieren machen. Die Perfidität besteht aus einer ganz neuen Form von Virusinfektion: Die Leute stecken sich nicht mehr unbewusst an. Sie wollen sich anstecken.«
    »Leider haben wir keinen Mann im Myface-Management untergebracht«, entschuldigte sich Weinberger. »Bei deren Altersdurchschnitt würde sich jeder erwachsene Cybercom-Agent schon durch seinen Humor verdächtig machen.«
    Major Wooster winkte ab. »Dankenswerterweise braucht man bei Myface keine Agenten. Jeder externe Programmierer kann Software im dortigen Netzwerk laufen lassen, und angesichts einer halben Million von Programmen schaffen es die Myface-Leute nicht, auch nur einen Bruchteil davon zu kontrollieren. Diese Lücke nutzen wir aus. Unser Lawinendetektor ist als Egoshooter getarnt und meldet jede soziale Aktion, die über den üblichen Rahmen hinaus Zuspruch gewinnt.« Er lächelte feinsinnig. »Natürlich gab es schon etliche Versuche, dieses Trendwissen abzuzapfen, aber wir dienen nur Ihrer Majestät und keinen Modelabels oder der Musikindustrie. Nach unseren Erkenntnissen, Walt, ist Toggle Democracy dabei, die Killerapplikation des Jahrzehnts zu werden. Es übersteigt alles bisher Dagewesene. Die Leute bilden Fangruppen, denken sich immer mehr Einsatzmöglichkeiten aus, stacheln sich gegenseitig zur Nutzung an, und – was viel gravierender ist! – sie vertrauen sich dem Tool an. Mit all ihren privaten Daten. Freiwillig.«
    »Fools«, knurrte Weinberger.
    »Vielleicht«, nickte Archibald Wooster. »Aber vielleicht sind sie nur ganz normale Menschen und folgen psychologischen Gesetzen. Wichtig sein zu wollen, ist ein Grundantrieb unserer Existenz. Da Toggle Democracy den Wert des Menschen berechnet, lässt sich im Stundentakt die eigene Wichtigkeit ermitteln. Deswegen pflegen die Leute ihre Datensätze so hingebungsvoll und schauen dauernd nach, wo sie stehen.«
    »Self-Toggling hoch zehn«, seufzte Walter Weinberger. »Gut fürs Geschäft«, fügte er resigniert hinzu. Er gehörte noch einer Generation an, die solchen Narzissmus verabscheute. Was scherten ihn Einträge über ihn selbst im Netz?
    »Nach unserer Einschätzung wird es nur noch kurze Zeit dauern, bis aus dem Spiel im Netzwerk eine Forderung an die Regierungen der Welt erwächst«, fuhr Archibald Wooster fort. »Und dann bereitet mir ein Mann Sorge, der politisch bestens vernetzt ist.«
    Sein Zeigefinger legte sich auf den dritten Namen der Liste.
    »Der?«, fragte Weinberger ungläubig. »Den wollte ich nie dabeihaben.«
    »Nach außen hin ein engagierter Datenschützer. Aber die Informationen über ihn sind widersprüchlich. Was, wenn er auf fremde Rechnung arbeitet? Im Zweifelsfall werden unsere Regierungen ihm glauben, weil er als kluger Mahner gilt.«

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    101
   Haselmarsch
Mittwoch, 5.   August, 9   :   00
    Die Vorwahl 0351 hatte Olga Holzwanger noch nie auf dem Telefondisplay gesehen. Neugierig nahm sie den Hörer ab. »Wer ist da?«
    »Hallo Olga!«, erklang die Stimme Joachim Sterzels. »Wie geht’s?«
    »Papa will mit mir nicht nach England fliegen«, erzählte die Dreizehnjährige ihrem Nennonkel. »Er sagt, das mit der Verlosung sei Quatsch.«
    »Du hast was gewonnen? Glückwunsch!«
    »Ja, aber ich muss es selbst abholen«, erklärte Olga freimütig. »In Argleton. Das

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