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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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den Entführungsfall vor?«
    »Vollgas, Bremsen, Wagen auf, Mann reinziehen, Wagen zu, Vollgas.«
    »Und bei Frauen?«
    »Frau reinziehen. Ist aber schwieriger.«
    »Warum?«
    »Die schreien.«

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    63
   Brandenburg
Mittwoch, 28.   Juli, 12   :   00
    Wie drei Wochen zuvor saß Anna-Katharina auf dem abgewetzten Sofa des Antiquars. Wieder leckte er sich die Lippen, wieder zeigte sich dabei eine Reihe unappetitlicher brauner Zähne. Wieder musste sie den Impuls unterdrücken, aufzuspringen und wegzurennen.
    »Rücktausch unmöglich«, maulte der Antiquar und wies auf den halb geöffneten Rucksack, aus dem die alten DDR – Bücher hervorlugten.
    »Moment«, protestierte Anna-Katharina. »Ich hatte sie mir nur ausgeliehen, als Pfand für mein Buch. Während es repariert wird.«
    »Ist weg«, stieß der Antiquar aus.
    »Weg? Wie weg?« Das Mädchen sah ihn bestürzt an.
    »Verkauft.« Der Antiquar breitete seine Arme aus und ging auf Anna-Katharina zu, als wolle er ein paar Hühner aufscheuchen. Sie duckte sich weg.
    »Raus!«, befahl er.
    Er war außerordentlich schlecht gelaunt. Noch vor dem ersten Kaffee am Morgen hatte er sich am Telefon mit einem radebrechenden Italiener herumschlagen müssen, der ihm wegen der Lieferadresse des verdammten Galiani-Buchs so lange in den Ohren gelegen hatte, bis er schließlich völlig entnervt kapituliert hatte.
    »Es war meins«, sagte Anna-Katharina und senkte den Kopf, damit man ihr Gesicht nicht sah. Sie log schlecht.
    »Jetzt nicht mehr. Raus! Und nimm den Schrott mit! Ich will mir nicht nachsagen lassen, ich würde meine Kunden betrügen. Tausch ist Tausch.«
    Anna-Katharina erhob sich langsam, klickte die Schnappverschlüsse des Rucksacks zu und schulterte die schwere Last. »Das ist komisch«, sprach sie flüsternd zu sich selbst. »Ich dachte, du willst zu mir. Aber gut, wenn du nicht zu mir willst, dann eben nicht. Das ist deine freie Entscheidung.«
    Für einen Moment war der Antiquar bereit, ihre Worte auf sich zu beziehen – auf einen Mann, zu dem schon lange kein weibliches Wesen mehr so etwas gesagt hatte. Dann aber kehrte sein Realitätssinn zurück. Das Mädchen war plemplem! Das hatte er schon beim ersten Mal bemerkt. Trotzdem appellierte die zerbrechliche Gestalt an die rudimentären Reste seines Ehrgefühls. Er schritt den Barackengang voran und öffnete die Tür. Bevor er Anna-Katharina zum Abschied unwirsch die Hand reichen konnte, sackte er in sich zusammen.
    Anna-Katharina glaubte an ein Déjà-vu.
    Wieder kam ein Mann mit ausgestrecktem Messer auf sie zu, diesmal durch die Tür des Antiquariats, ein kurzgeschorener Blonder mit zuckenden Gesichtsnerven, wieder musste sie in Sekundenbruchteilen handeln. Sie glitt mit dem linken Arm aus dem Rucksackträger heraus, bewegte ruckartig ihren Oberkörper nach links, damit der schwere Rucksack wie ein Brustschild nach vorne klappen konnte, schlüpfte mit dem freien Arm erneut durch den nun verdrehten Rucksackträger, um dem Schild festen Halt zu geben. Dann rannte sie los. Die Wucht des Aufpralls stieß den Blonden zur Seite, der im Fallen jedoch noch sein Messer zwischen die Seiten des ›Stillen Don‹ rammen konnte. Vor der Tür entledigte sich Anna-Katharina ihres sozialistischen Ballasts und sprintete in Richtung Innenstadt davon.
    Wenige Sekunden zuvor hatte Purgler einen der schwächsten Momente seiner kleinkriminellen Laufbahn erlebt. Als der Blonde mit dem Lexus direkt vor der Baracke des Versandantiquariats Sturm über Petersburg gehalten hatte, hatte das Proletenhandy mit der miserablen Bedienungsführung in Purglers Hosentasche zu vibrieren begonnen. Rasch hatte er den lästigen Reiz wegdrücken wollen, jedoch nicht auf Anhieb die richtige Taste gefunden. In falscher Vertrauensseligkeit hatte er deshalb dem Jungspund das Telefon überlassen und damit eine fatale Kettenreaktion in Gang gesetzt. Denn der Anrufer war derselbe wie zuvor – sichtlich darüber entzückt, dass sein Laufbursche noch lebte –, und er schien seinem Schützling etwas mitzuteilen, das die Aussichten auf Purglers heimisches Drogenschränkchen weit überbot.
    Im Blonden war daraufhin eine seltsame Verwandlung vorgegangen. Sein vom Entzug erschlaffter Körper hatte sich gestrafft, und die Widerstandslosigkeit, mit der er bis zu diesem Zeitpunkt auf Purglers Anweisungen reagiert hatte, wich einer entschlossenen Klarheit.
    »Das Buch, das Geld, das hol ich mir!«, hatte der Blonde ausgestoßen. »Und du bist raus aus dem

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