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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Deal!«
    Dann war er mit gezücktem Messer zur Baracke vorgestürmt.
    Gerade noch geistesgegenwärtig genug rutschte Anton Purgler über den Ganghebel hinweg auf den Fahrersitz, um den Motor zu starten, bevor der gemeingefährliche Junkie zurückkehren konnte. 800 Meter weiter stieg er mit ganzer Wucht auf die Bremse, stieß von innen die Beifahrertür auf, schrie dem Mädchen zu: »Rein! Rein!« und quälte den Motor im ersten Gang wieder auf 70 hoch.
    Sie mussten Land gewinnen.
    Anna-Katharina war blutleer im Gesicht. Purgler fürchtete, sie würde augenblicklich kollabieren.
    »Alles okay«, stieß er hervor. »Der Typ mit dem Messer ist nicht mein Freund!«
    Direkt an den Hinweisschildern zum Oberlandesgericht überfuhr er zwei rote Ampeln, bog hinter dem Bahnhof in Richtung Berlin ab, verpasste in Neuschmerzke die Abzweigung zur B1 und ließ den Lexus auf Höhe des Weilers Paterdamm in einen Forstweg rollen. Dort würgte er den Motor ab.
    Er zitterte.
    Sie zitterte.
    »Ich habe keine Ahnung, in welche Scheiße wir da hineingeraten sind«, rang sich Purgler schwer atmend einen Satz ab. »Ich habe keine Ahnung, warum alle dieses beschissene Buch haben wollen. Ichhabe keine Ahnung, wer du bist. Aber ich weiß, dass du mir einen Gefallen schuldest. Dafür!« Er hielt ihr drohend seine vernarbte Handfläche dicht vors Gesicht. »Ich werde dich jetzt in dein verdammtes Kaff fahren, und wenn du zu Hause bist, rufst du bei der Berliner Polizei an. Du sagst denen, dass sie in der Belziger Straße ein Riesenlager illegaler Betäubungsmittel finden. In der Wohnung direkt über dem Narkosestübchen . Kapiert? Narkosestübchen . Wie man’s spricht.«
    Das Mädchen reagierte nicht.
    »Dir passiert nichts!«, fuhr er ein klein wenig milder fort. »Von dir weiß keiner was. Und wenn wir Glück haben, ist dieser Irre schon erledigt. Das Kaff hat ein OLG . Da wimmelt’s nur so von Bullen.«
    »Ja«, sagte das Mädchen tonlos.
    »Also Narkosestübchen , kapiert? In der Wohnung drüber! Drogen im Massen! Hast du selbst gesehen! Dick auftragen.«
    Das Mädchen nickte, ohne den Sinn seiner Worte zu verstehen.
    Anton Purgler ließ sich erschöpft gegen die Rückenlehne seines Sitzes fallen. Er brauchte jetzt dringend Urlaub vom realen Leben. Wenn man es darauf anlegte, im Gefängnis zu bleiben, war es praktisch unmöglich wieder herauszukommen. Er kannte Knastverlängerer, die hatten es darin zu wahrer Meisterschaft gebracht.
    Und er selbst, Anton Purgler, würde seine Sache ebenso gut machen.

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    64
   Mellau (Auffahrt)
Mittwoch, 28.   Juli, 12   :  
    Fünf Mercedes-Kleinbusse blockierten die kurze Auffahrt vor dem Hotel. Aufgeregte Tagungsteilnehmer liefen zwischen ihnen umher und versuchten herauszubekommen, welches Shuttle sie wohin bringen würde: nach Klais, nach Mittenwald, nach Garmisch-Partenkirchen oder direkt zum Airport Franz Josef Strauß. Die meisten gehörten zu den Lobbygruppen, denn aufgescheucht von den Ereignissen waren die Journalisten schon am Vorabend abgezogen undhatten in der Nacht eher pflichtschuldige Artikel über das Ereignis verfasst. Melissas Tod spielte darin kaum eine Rolle. Und keiner urteilte auch nur annähernd so scharf über Toggle, wie es Axel Jünger in seiner Brandrede vor dem Plenum getan hatte.
    Alles hätte ruhig und geordnet ausklingen können.
    Doch Melissa Stockdale fehlte an allen Ecken und Enden, und die Auffahrt glich dem Innenhof eines Tollhauses, in dem ein paar besonders aggressive Insassen durch lautes Kreischen ihre Ansprüche auf einen bestimmten Sitzplatz oder ein abweichendes Fahrziel artikulierten. In gewisser Weise hatten sie mit ihrer Hysterie sogar recht. Nirgendwo stand ein Ansprechpartner bereit, niemand koordinierte die Abreise. So hatte auch keiner dem Mellauer Hausfotografen gesagt, dass er die Auffahrt für das Shooting freihalten solle, und niemand war beim Mittagessen herumgegangen, um die Podiumsteilnehmer an ihre letzte Pflicht gegenüber Toggle zu erinnern.
    Inmitten des Trubels stand Jewgenij Jacob Fünfgeld ruhig wie ein Säulenheiliger und wartete darauf, dass sich sein Chauffeur einen Weg durch die Busse bahnte. Unnötige Aufmerksamkeit mochte er allerdings auch nicht. »Rufen Sie Sergej an und sagen Sie ihm, ich käme in die Garage hinüber«, raunte er seinem Sekretär zu.
    »Garagen sind gefährlich«, protestierte Urs-Albert Flüeli. »Als Ihr Sicherheitsberater muss ich davon abraten. Als Ihr Stilberater sowieso«, fügte der Ex-Diplomat

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