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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Land. Ich habe ihm versprochen, es den Jesuiten zu vererben. In meiner Todesstunde soll ich –«
    »Es ist nicht deine Todes –«
    Luigi schnitt seiner Frau das Wort ab: »Ich sterbe!« Er wankte bedenklich. Angelina drückte ihn mit ihrer Körperfülle gegen den Tisch, und mit letzter Kraft stemmte er sein Gesäß auf das Holz hoch, bis er einigermaßen stabil saß. Die Stellung, in der sich der Körper seiner Frau vor ihm befand, erinnerte ihn an bessere Tage. Allerdings war das Verhältnis von Stehendem und Sitzender da umgekehrt gewesen.
    Die innere Hitze verglomm schlagartig.
    Cinzia, dachte Luigi matt. Ein letztes Mal raffte er alle Gedanken zusammen. »Geh zur Chiesa del Gesù Nuovo«, hauchte er, »und frage dort nach Pater Lorenzo Giustiniani. Er wird wissen, was zu tun ist. Er ist der Bibli …«
    Sein Kopf sackte vornüber. Das Mittagsgeläut von Santa Caterina rief die Gläubigen zum Gebet und die Hungrigen zum Mahl. Doch Luigi würde weder am einen noch am anderen je wieder teilnehmen. Angelina brach in lautes Wehklagen aus.
    In der hereinbrechenden Dämmerung wirkte die Dame mit dem schwarzen Schleier und ihren dunklen Gewändern wie ein Mitglied der Klarissen-Kapuzinerinnen. Doch ihre Begleitung stellte diese Herkunft infrage. Die Gestalt trug jene bunte Vielfalt von Lappen und Stoffen am Leib, wie sie für Lumpensammler typisch war, die sich die besten Stücke zum eigenen Gebrauch herausklaubten. Auf dem Karren, den die Gestalt übers grobe Pflaster des Monte di Dio schob, lag neben einem Berg unaussprechlich schmutziger Lumpen eine kaum ansehnlichere Matratze.
    »Ich gebe euch ein Fässchen sizilianischer Oliven und einen Sack Mehl dafür, Signora«, schmeichelte der Lumpensammler. »Was wollen die Jesuiten mit solch einer Schlafstatt? Die Jesuiten schlafen nicht, sie beten die ganze Zeit. Darum werden sie Ihre Spende an mich weitergeben. Sie gehen dabei leer aus, Signora!«
    Angelina bekreuzigte sich. »Es ist ein Vermächtnis meines geliebten Gatten, und ich werde es im Namen des Herrn erfüllen.«
    »Zwei Fässchen sizilianischer Oliven«, lockte der Lumpensammler, der den Namen Roverto trug. »Eines mit hellen, eines mit dunklen Früchten. Ist das kein Angebot?«
    Seine Geschäfte liefen fantastisch. Im Hafen lag ein französischer Schoner mit nichts als dem Auftrag, neapolitanische Hadern einzusammeln und in die Hauptstadt des Geistes zu bringen. Dort, in Paris, gierte man nach dem Rohstoff, aus dem sich nach etlichen Reinigungs- und Bleichgängen Enzyklopädien schöpfen ließen. Papier kam im Wert gleich nach spanischem Kupfer und noch weit vor Weizen oder Wein.
    »Nein«, beschied ihn Angelina. »Mach schnell, du Nichtsnutz! Ich bezahle dich nicht fürs Reden, sondern fürs Schieben. Die Dunkelheit fällt auf uns herab.«
    »Alle Wege führen zur Chiesa del Gesù Nuovo«, maulte der Lumpensammler, womit er andeuten wollte, er fände das Ziel auch mit verbundenen Augen. »Der Teufel soll die Jesuiten holen! Sie sind geizig und verschlagen.« Er fröstelte und vergrub sich tiefer in seine bunten Gewänder.
    »Der Teufel wird dich holen, wenn du nicht den Mund hältst.« Nun war endgültig alles Nonnenhafte aus Angelina gewichen. Sie spuckte wie ein Seemann auf den Boden und signalisierte damit das Ende ihrer Geduld.
    Auf den Straßen ließen sich wenige Menschen blicken. Mochte der Ruf des Fiebers auch schneller durch die Stadt geeilt sein als die Krankheit selbst – etwas stimmte nicht! Zu keiner Jahreszeit war Neapel um sechs Uhr so menschenleer, nicht einmal bei derart frostigen Temperaturen. Die Szenerie wirkte eher, als hätten die Vasallen des Königs befohlen, dass alle Einwohner in ihren Häusern verharren und sich ruhig verhalten sollten. Buchstäblich spanisch kam dem Lumpensammler dies vor. Er blieb mit dem Karren stehen und sog witternd die Luft ein. »Pferde«, sagte er dann misstrauisch. »Zu viele Pferde für die engen Gassen.«
    Lauschend hielt er sein Ohr in den Wind. Nicht nur der Geruch, auch die Geräusche beunruhigten ihn. Leises, doch vielfach wiederholtes Hufgeklapper.
    »Eine Reiterschwadron«, stellte er fest. »Signora, es ist keine gute Idee, an einem Tag wie diesem unterwegs zu sein. Nehmen Sie mein Angebot an, und ich bringe Sie sofort zu Ihrem Haus zurück.«
    »Keinesfalls werde ich mich den Qualen des ewigen Fegefeuers aussetzen, indem ich meinem frommen Mann den letzten Wunsch abschlage«, schalt ihn Angelina. »Was verheißen schon Pferde in der Stadt?

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