Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
standhalten.
Am späten Nachmittag fuhr ich hinaus nach Greenhills, bevor Manny üblicherweise dort eintraf. Dank der GPS-Informationen wussten wir bis auf einen Meter genau, wo der Wagen halten würde, nämlich vor dem Haus Nummer n am Eisenhower Boulevard. Es handelte sich um ein Apartmenthochhaus mit viel Backstein und Glas, das nach neuem Geld aussah. In einem Einkaufszentrum gegenüber ging ich in ein Jollibee, die philippinische Alternative zu McDonald's, und setzte mich an einen Tisch am Fenster. Mir war aufgefallen, dass sich bei diesem Stand der Sonne und auch, wenn sie weiter nach Westen wanderte, viel Licht in den Scheiben spiegelte, sodass es schwierig war, von der Straße aus hineinzusehen.
Ich war schon einmal in Manila gewesen, während meiner Zeit als Soldat in Vietnam, aber das war natürlich lange her, und die Stadt hatte sich seitdem verändert. Enklaven wie das heutige Greenhills waren früher einmal Reisfelder gewesen. Die Stadt war dichter geworden: mehr Menschen, mehr Autos, mehr Hektik. Es herrschte auch eine neue Atmosphäre von Kommerz, mit Megaeinkaufszentren, die von verstopften Schnellstraßen aus zu sehen waren, mit riesigen Reklametafeln, die Zahnweißmacher anpriesen, und mit modernen Hochhäusern, die gerade durch den krassen Kontrast die ewigen Hüttenstädte und Slums noch elender wirken ließen. In den drei Wochen vor Mannys Ankunft hatte ich diese Veränderungen registriert, während ich in Manila und Umgebung mit ganz neuen Augen auf Erkundungstour ging. Meine Routen waren sehr unterschiedlich, aber natürlich hatten sie alle ein Thema. Es war, als würde ich für einen einzigartigen Stadtführer recherchieren, etwas in der Art wie Arger im Paradies: Hinterhalt, Flucht und Abtauchen - ein Ratgeber für den unabhängigen Profikiller im Großraum Manila. Je mehr du bei der Ausbildung schwitzt, desto weniger blutest du im Kampf, hatte mal ein Ausbilder bei der Army zu mir gesagt, und die Lektion habe ich bis heute nicht vergessen. Sollte ich je bei einem Einsatz sterben, dann jedenfalls nicht, weil ich zu faul war, mich anständig vorzubereiten.
Manny traf zur Dinnerzeit ein. Ich sah die schwarze S-Klasse in den Eisenhower Boulevard biegen und vor dem Haus halten. Der Bodyguard stieg zuerst aus. Er suchte einen Moment die Straße nach verdächtigen Anzeichen für Arger ab, konnte aber nicht sehen, dass der Arger hinter der spiegelnden Scheibe des Jollibee saß und einen Cheeseburger aß. Als er zufrieden war, öffnete er Mannys Tür, während seine Augen zugleich immer wieder über die Straße glitten. Manny stieg aus, und die beiden gingen zum Haus. Zwei uniformierte Wachleute vor dem Gebäude nickten, als Manny an ihnen vorbeiging, und ich sah, dass sie ihn gut kannten. Ihn im Haus zu erledigen hätte zwar gewisse Vorteile, wäre aber nicht ohne. Wir würden auf eine bessere Gelegenheit warten müssen.
Ich verließ das Jollibee und ging in das Einkaufszentrum. Ich rief Dox mit einem Kartenhandy an, das ich bar bezahlt hatte. Auch Dox hatte ein Kartenhandy. Er hatte auch ein eigenes GSM-Gerät, aber ich schärfte ihm ein, es während des Einsatzes ausgeschaltet zu lassen. Handys ließen sich anpeilen, und ich wusste nicht, wer alles Dox' Nummer hatte.
»Er ist da«, sagte ich zu ihm. »Das Apartmenthaus in Greenhills.«
»Ich weiß. Ich beobachte den kleinen Pfeil, der sich auf dem Computer bewegt. Ich hab gesehen, dass der Wagen vor zehn Minuten an der Adresse angehalten hat. Irgendwas Interessantes?«
»Das Gebäude wird gut bewacht. Wir müssen ihn noch ein bisschen länger beobachten."
"Alles klar.«
»Was war bisher der früheste Zeitpunkt, zu dem er das Gebäude verlassen hat?«
»Moment.« Ich hörte das Geräusch der Tastatur. »Null-siebenhundert. Wie es aussieht, macht er sich normalerweise um Null-achthundert auf den Weg.«
»Alles klar. Ich hau hier ab und komme morgen früh wieder. Ich habe ihn kommen sehen. Vielleicht ist es ja ganz aufschlussreich zu sehen, wie er abfährt.«
Am nächsten Morgen war ich um kurz vor sieben wieder da. Es war Sonntag. Ich frühstückte im Jollibee. Das Morgenteam war neu. Selbst wenn es dieselben Angestellten wie am Nachmittag zuvor gewesen wären, bezweifelte ich, dass sie mich bemerkt hätten. Wenn ich will, kann ich mich völlig unauffällig machen.
Fünfundvierzig Minuten später kam Manny aus dem Haus. Er war in Begleitung einer hübschen Filipina und eines Jungen von sieben oder acht Jahren, der aussah, als sei er
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