Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
gemischter Herkunft. Manny trug eine dunkle Hose und ein cremefarbenes Seidenhemd, die Frau, dunkelhäutig und zierlich, hatte ein gelbes geblümtes Kleid an, in dem ihre gute Figur zur Geltung kam. Der kleine Junge trug einen blauen Blazer und eine khakifarbene Hose. Er hielt Mannys Hand, und in der Sekunde, als sich in meinem Kopf alle Teile zusammenfügten, begriff ich: Er ist einfach nur glücklich, bei seinem Daddy zu sein. Ich war verblüfft, wie heftig der Stich war, den der Gedanke mir versetzte.
Sie stiegen hinten in den Benz ein, und ich sah ihnen nach, wie sie losfuhren. Mein Handy klingelte. Es war Dox. »Er ist wieder unterwegs«, sagte er.
»Ich weiß. Ich beobachte ihn."
"Was siehst du?«
Ich stockte, sagte dann: »Er wohnt nicht im Hotel, weil er hier in Greenhills eine Familie hat. Eine Frau und einen Sohn."
"Woher weißt du das?«
»Ich habe sie gerade alle drei zusammen gesehen. So wie sie angezogen waren, würde ich sagen, sie wollen in den Sonntagsgottesdienst. Und das Ganze ergibt durchaus einen Sinn. In der Akte steht, Manny habe eine Familie in Johannesburg. Ich vermute, irgendwann, so vor sieben, acht Jahren, wenn ich das Alter des Jungen richtig einschätze, hat er eine Filipina geschwängert. Deshalb kommt er immer so regelmäßig und für so lange hierher. Nicht aus Geschäftsgründen, jedenfalls nicht nur deshalb. Er nimmt sich ein Zimmer im Hotel, damit seine Frau in Johannesburg ihm nicht auf die Schliche kommt, und hält sich ein- oder zweimal am Tag dort auf. Überleg doch mal, um welche Uhrzeit er immer im Hotel auftaucht - da ist es in Südafrika Morgen und Nachmittag. Vermutlich ruft er dann von seinem Zimmer aus zu Hause an, damit seine Frau die Nummer auf dem Display sieht.«
»Ich dachte, der gute alte Manny wäre mosaischen Glaubens. Als ich Kind war, bin ich nicht besonders oft in die Kirche gegangen, aber ich erinnere mich nicht, zu der Zeit besonders viele Juden dort gesehen zu haben.«
Ich überlegte kurz und sagte dann: »Wenn ich damit richtig liege, dass sie in die Kirche wollen, dann macht er das wahrscheinlich seiner Frau zuliebe. Filipinas nehmen es mit ihrem katholischen Glauben mitunter ziemlich genau.«
»Das klingt einleuchtend. Irgendeine Idee, wie wir ihm auf die Pelle rücken könnten?«
»Wir wissen jetzt, wo er sich überwiegend aufhält. Das ist schon mal ein Anfang. Halt mich auf dem Laufenden, wohin der Wagen fährt, und ich folge ihnen mit sicherem Abstand, bis sie anhalten. Vielleicht finde ich noch mehr raus.«
»Alles klar.«
Wie sich herausstellte, hatten sie es nicht weit: eine bewachte, weitläufige Wohnanlage namens East Greenhills. Ich musste einem Wachmann meinen Ausweis zeigen, der natürlich gefälscht war, und er ließ mich passieren, als ich meiner Ahnung folgend erklärte, ich wolle in die Morgenmesse. Er hätte mich ruhig auf meine Bibelfestigkeit hin prüfen können, wenn er gewollt hätte. Meine amerikanische Mutter war katholisch gewesen und hatte mich so oft mit in die Kirche genommen, dass diese Erfahrung bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte.
Die Zufahrt zur Kirche war mit Autos verstopft, sodass ich ein Stück entfernt parken und zu Fuß gehen musste. Das war mir nur recht so, denn ich wollte nicht, dass sich dem Bodyguard der Wagen womöglich einprägte.
Die Kirche war fast voll. Das Thema der Predigt, die auf Englisch gehalten wurde - das neben dem einheimischen Tagalog fast überall in Manila gesprochen wird - war mir geläufig. Es ging um das Gebet des heiligen Franz von Assisi, in dem es unter anderem heißt, dass wir durch den Tod zu ewigem Leben geboren werden.
Meine persönliche Erfahrung hat mich das Gegenteil gelehrt, aber ich sah keinen Sinn darin, Einspruch zu erheben.
Die Stimme des Priesters hallte durch den langen Raum und wetteiferte mit einer Reihe von Deckenventilatoren, die hin und her schwankten, als würden sie vom Tonfall seiner Rede abwechselnd in Trance versetzt und zur Raserei getrieben. Der Raum war auf drei Seiten nach außen hin offen, und die Luft schwül vor tropischer Feuchtigkeit.
Ich setzte mich hinten auf eine der lackierten Holzbänke und spürte, wie sich die Last des Gebäudes schwer auf mich niedersenkte. Es war lange her, fast eine Ewigkeit, seit ich zuletzt in einer Kirche gewesen war.
Ich sah Manny und seine Familie sechs Reihen weiter vorne sitzen. Der Junge saß zwischen Manny und der Frau. Meine Vermutung, dass Manny der Frau zuliebe mit in die Kirche ging,
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