Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
starrte immer noch Demeere an. Der Halbmexikaner war ein zuverlässiger Profi, neigte jedoch dazu, schnell gekränkt zu sein und zornig zu reagieren.
Hilger beschloss, einem drohenden Streit zuvorzukommen. »Demeere hat die Operation geleitet, als wir Rain in Bangkok entführen wollten. Zu seinen Leuten gehörten Winters und ein einheimisches Team. Deshalb hat er es vorhin erraten.«
Pancho rutschte ein kleines Stück nach hinten aufs Bett. »Woran ist die Sache gescheitert?«
»Wir kennen nicht alle Einzelheiten«, sagte Demeere. »Offenbar hatte John Rain den Hinterhalt durchschaut, in den Winters ihn locken wollte, und ist zum Angriff übergegangen. Zwei der Einheimischen konnten fliehen. Zwei andere hat Rain mit einem Messer getötet. Winters wurde in einer dunklen Gasse gefunden, mit Abwehrverletzungen an den Armen und einer durchtrennten Halsschlagader. Er ist verblutet.«
»Rain hat Winters im Messer kampf besiegt?«, fragte Pancho. »Ich hab Winters gekannt. Der hat Kali gemacht. Ausbildung auf den Philippinen. Er konnte verdammt gut mit einem Messer umgehen.«
»Rain ist auch verdammt gut ausgebildet«, sagte Hilger. »Judo. Boxen. Messerkampf bei den Special Forces. Und er hat jede Menge Erfahrung.«
Pancho nickte nachdenklich. Demeere sah ihn an und fragte: »Macht dich das nervös?«
Pancho erwiderte den Blick. »Nein.«
Demeere setzte ein schwaches, frostiges Lächeln auf. »Sollte es aber.«
Pancho lächelte ebenfalls. »Vielleicht hat Rain bloß Glück gehabt. Oder vielleicht war Winters schlecht vorbereitet.«
Guthrie sagte: »Jedenfalls, Tatsache ist, Winters war gut.«
Demeere, die Augen noch immer auf Pancho gerichtet, bestätigte: »Verdammt gut.«
»Was ist mit Calver und Gibbons passiert?«, fragte Guthrie.
»Erschossen«, sagte Hilger. »Auf einer Herrentoilette in Manila, bei dem Versuch, einem Agenten in einer anderen Operation zu Hilfe zu kommen.«
Pancho blickte Hilger an. »Dann geht es also um Vergeltung. Du willst Rain ausschalten.«
Hilger schüttelte den Kopf. »Er soll für mich einen Auftrag erledigen.«
Pancho kniff die Augen zusammen und spitzte die Lippen, als würde er nachdenken. Hilger wusste nicht, ob er verwirrt oder enttäuscht war oder beides.
»Wenn er auf eigene Rechnung arbeitet«, fragte Guthrie, »wieso engagierst du ihn nicht einfach über Mittelsleute?«
»Zwei Probleme«, sagte Hilger. »Erstens, ich weiß nicht, wie ich ihn kontaktieren soll. Ich hab versucht, ihn ausfindig zu machen, und hab nicht mal rausgefunden, wo er sich aufhält. Irgendwann hieß es, er sei in Tokio, dann angeblich in Säo Paulo oder Rio. Die Berichte sind aber alle längst überholt, und ich bezweifle, dass er noch in einem der beiden Länder lebt. Und selbst wenn, es wäre nicht viel damit anzufangen. In Brasilien leben weltweit die meisten Auslandsjapaner. Rain wäre dort unsichtbar. In Japan noch mehr. Er hat sich zwar schon immer unauffällig verhalten, aber mittlerweile könnte er genauso gut ein Geist sein.«
Guthrie sagte: »Was ist das zweite Problem?«
Hilger zuckte die Achseln. »Ich will es mal so ausdrücken: Ich bezweifle, dass er das, was ich von ihm will, freiwillig machen würde. Dox ist sein Freund, einer von ganz wenigen. Das bedeutet, Dox weiß, wo er ist, und es bedeutet, Dox ist das Druckmittel, um Rain zur Kooperation zu bewegen.«
»Stehen die beiden sich so nahe?«, fragte Guthrie.
Hilger nickte. »Ich hab gesehen, wie Dox sich Rain über die Schulter geworfen hat, um ihn bei einer Schießerei im Hongkonger Hafen Kwai Chung aus der Gefahrenzone zu schaffen. Fünf Millionen Dollar waren im Spiel, und Dox hat darauf verzichtet, um seinen angeschossenen Partner zu retten. Ich würde also sagen, dass sie einander nahestehen, ja.«
Pancho sagte: »Die Sache, die Rain für dich erledigen soll – kann das keiner von deinen Leuten übernehmen?«
Wieder spürte Hilger seine Enttäuschung. Er schüttelte den Kopf. »Rain ist der Richtige dafür. Wir müssen bloß an ihn rankommen.«
Sie schwiegen alle einen Moment. Guthrie sagte: »Wie viel Zeit haben wir also? Um Dox zu schnappen?«
Hilger sah weitere Fotos durch, auf der Suche nach einem Muster. Er spürte, wie sich allmählich etwas herauskristallisierte.
»Wir können uns noch ein paar Tage Zeit lassen«, sagte Hilger. »Wenn wir dann noch keine bessere Möglichkeit zum Zuschlagen gefunden haben, versuchen wir’s mit der Villa. Aber ich stimme Pancho zu, das Risiko ist sehr hoch, und mir wäre
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