Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
besorgen müssen. Und auch das Obst war so gut wie alle.
Er leerte sein Glas, während er sich mit dem Laptop, der immer auf dem Küchentisch stand, über den neusten Unsinn im Nahen Osten und sonst wo informierte. Vor langer Zeit hatte ihm die Art, wie er die Marines verlassen hatte, noch zu schaffen gemacht, aber inzwischen könnte man ihn mit keinem Geld der Welt locken, wieder für die Regierung zu arbeiten. Diese ganze Heuchelei war einfach zum Kotzen. Er fragte sich, wieso die Leute das mit sich machen ließen. Wenn er Philosophenkönig oder ein gütiger Diktator wäre, die einzigen Jobs, die er sich außer seinem gegenwärtigen vorstellen konnte, würde er anordnen, dass die Politiker, die einen Krieg zuließen, selbst in den Kampf ziehen müssten.
Als er mit dem Frühstück und dem Nachrichtenstudium fertig war, warf er einen Blick auf den Monitor, auf dem die Bilder der vier Überwachungskameras rings ums Haus übertragen wurden. Alles war normal. Nicht dass er mit irgendwelchen Besuchern rechnete, aber Vorsicht konnte nie schaden. Er hätte sich gern einen Hund zugelegt – ein einfacher kleiner Kläffer war als Alarmanlage nicht zu schlagen –, aber das war nicht machbar, weil er so oft verreiste. Vielleicht sollte er ein wenig sesshafter werden, sich eine braunhäutige Frau mit Mandelaugen suchen. Sie schwängern, eine Familie gründen, den Kindern Jagen und Fischen beibringen, und natürlich Schießen, was er am besten konnte. Ja, vielleicht eines Tages.
Um in Bali unter die Leute zu gehen, war für gewöhnlich keine besondere Garderobe erforderlich – heute Morgen taten es Shorts, T-Shirt und Sandalen. Er hätte gern eine Baby-Glock mitgenommen oder eine von den anderen Pistolen, die er besaß, aber er musste nicht nur abwägen, wie gut sie zu greifen und zu verstecken war, sondern auch, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass er sie brauchen würde, und wie hoch die Wahrscheinlichkeit, dass er wegen Verstoßes gegen die drakonischen Waffengesetze in Indonesien hochgenommen wurde. Heute Morgen sprach sich sein Gefühl gegen die Glock aus. Aber das bedeutete nicht, dass er unbewaffnet war: Er steckte ein Spyderco Clipit Civilian in die rechte Hosentasche und hängte sich ein Fred Perrin La Griffe mit einer fünf Zentimeter langen zweischneidigen Klinge unter dem T-Shirt um den Hals. Er nahm den großen Rucksack, den er zum Einkaufen benutzte, öffnete die Garage und holte sein Motorrad heraus, eine 250er weinrote Honda Rebel, ramponiert, dreckig und wahnsinnig zuverlässig.
Es war noch Morgen, aber es wurde allmählich heiß, und die Luft war schrecklich schwül. Er stand einen Moment lang da und genoss einfach das Gefühl eines weiteren Tages im Paradies. Ihm gefiel alles hier, der Geruch der schlammigen Erde, sogar der Entenkot, mit dem die Reisfelder gedüngt wurden. Es roch für ihn ganz und gar nicht nach Scheiße, es roch nach Leben, nach richtigem Leben weit weg von all den Städten, die mit Beton und Asphalt bedeckt waren und am Diesel erstickten. Es roch nach der Erde selbst.
Er setzte seinen Helm auf, so unangenehm ihm das wegen der Hitze auch war. Die Einheimischen hielten sich zwar nicht immer an die Helmpflicht, aber als offensichtlicher Ausländer fand er es ratsam, alles zu tun, um nicht aufzufallen, und schon gar nicht durch Missachtung der Gesetze im Gastgeberland.
Das Haus hatte keine richtige Zufahrt, bloß eine eine Viertelmeile lange Sandpiste. Er startete den Motor und fuhr langsam los, blickte sich automatisch um, checkte die Gefahrenpunkte, achtete darauf, ob irgendwas nicht war, wie es sein sollte, ob ihm irgendwas komisch vorkam. In der Villa an ihn ranzukommen war fast unmöglich, schon wegen ihrer Lage und Architektur, doch dieser unbefestigte Weg war eher für einen Hinterhalt geeignet, weshalb er hier auch immer besonders auf der Hut war. Aber heute Morgen war nichts Ungewöhnliches festzustellen, nur das übliche freundliche Hundegebell irgendwo in der Nähe und die üblichen Bauern, die im Schweiße ihres Angesichts in den gut knietiefen Reisfeldern schufteten.
Am Ende des Weges bog er nach rechts und gab Gas. Eine 250er war klein für einen Mann seiner Größe, aber so eine Maschine fuhren alle hier, und auf den schmalen und kurvenreichen Straßen konnte man ohnehin nicht richtig Gas geben.
Er bog auf den Parkplatz des Supermarkts Bintang an der Jalan Raya Ubud und stellte den Motor ab. Der Laden befand sich in einem zweigeschossigen Steingebäude mit einem
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