Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
schon, Fester, sag mir die Wahrheit. Dir gefallen doch solche Fotos, wo die Männer schwarze Ledermasken tragen und eine neunschwänzige Katze in der Hand halten, hab ich recht? Vielleicht noch ein paar SS-Uniformen dazu, du weißt schon, was ich meine, die richtig guten Sachen. Ich wette, du hast zu Hause ’ne große Sammlung. Ich wette, du kennst die besten Internetseiten.«
Festers Gesicht wurde weiß, und Dox dachte, Menschenskind, voll ins Schwarze getroffen, du verfluchter Perversling.
Die Tür ging auf, und der jüngere Typ kam herein. Er sah Fester an, bemerkte dann die Batterie, die er in der Hand hielt. »Was machst du da?«, fragte er.
»Nichts«, erwiderte Fester. »Wieso bist du schon wieder hier?«
»Was willst du mit der Batterie?«, fragte der andere mit einer Miene, die verriet, dass er sich die Antwort denken konnte und keineswegs davon begeistert war.
»Onkel Fester amüsiert sich ganz gern ein bisschen nebenbei, wenn keiner zuguckt«, sagte Dox. »Jetzt ist er bloß zum ersten Mal dabei erwischt worden. Ihr wisst doch alle, dass er schwul ist, nicht? Fragt ihn doch mal nach seiner Fotosammlung.«
»Halt die Fresse«, knurrte Fester und machte einen Schritt auf Dox zu.
Der junge Typ hatte plötzlich eine Pistole in den Händen und zielte auf Fester, so schnell, dass es aussah wie ein Zaubertrick. Dox blinzelte. Eine Sekunde lang fragte er sich, ob seine Wahrnehmung ihn nicht trog.
»Ich kann das nicht zulassen«, sagte der junge Typ mit völlig ruhiger Stimme.
»Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß«, sagte Fester, und der Ausdruck in seinen Augen war so hasserfüllt und gefährlich, dass Dox den jungen Typen innerlich nur dazu beglückwünschen konnte, so blitzartig seine Waffe gezückt zu haben.
»Das tue ich gerade«, erwiderte der junge Typ, noch immer in demselben sachlichen Ton. »Und du wirst mir später dafür dankbar sein, wenn du dich wieder abgeregt hast. Aber jetzt möchte ich, dass du dich schön langsam rückwärts Richtung Tür bewegst und den Raum verlässt. Wenn du nicht haargenau tust, was ich sage, und irgendwelche Mätzchen versuchst, knall ich dich ab.«
Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill. Dann sagte Dox: »Das ist jetzt eine ziemlich schwierige Situation für ein Outing, Fester, aber es gibt Organisationen, die dir dabei helfen können. Hotlines und so weiter. Du musst bloß …«
Der junge Typ trat einen Schritt zurück. Er hielt die Pistole weiter auf Fester gerichtet und sah Dox an. »Halt die Schnauze«, sagte er, und etwas in seiner Stimme sagte Dox, dass er sich besser fügen sollte.
Fester gehorchte und ging aus dem Raum. Der junge Typ folgte ihm einen Augenblick später. Dox hörte, wie die Tür abgeschlossen wurde, dann die Schritte der beiden die Treppe hoch.
Er saß danach lange da und dachte nach. Er war nicht sicher, ob er sich gerade eine Chance verschafft oder sein eigenes Grab geschaufelt hatte. Aber eines wusste er genau: Er würde es herausfinden, sobald Fester wieder mit ihm allein an Bord war.
25
EIN ANFÄNGER HÄTTE NOCH einmal hingesehen, um sich zu vergewissern, dass es keine Sinnestäuschung war, und sich zu lange eingeredet, dass das gar nicht sein konnte. Einer mit ein bisschen mehr Erfahrung hätte weggeschaut, aber erst nach einer Schrecksekunde und sichtlich bemüht, was dem Feind verraten hätte, dass er entdeckt worden war. Ein echter Überlebenskünstler erfasst das Wesentliche sofort. Und was nicht auf Anhieb zu verstehen war, darüber würde ich mir später Gedanken machen.
Ich trat auf den Bürgersteig und stellte den Karton so ab, dass ich zwischen ihm und dem Fahrrad stand. Ich wandte Mr Blond den Rücken zu und fing an, die Fahrradkette »aufzuschließen«, wobei ich ihn in dem Seitenspiegel an meiner Brille beobachtete. Er war zwanzig Schritte von mir entfernt und hatte es weder besonders eilig, noch ließ er sich merklich Zeit. Er trug eine schwarze Wollmütze, weniger wegen der Kälte, da war ich sicher, sondern vielmehr, damit eventuelle Zeugen ihn nicht so leicht beschreiben konnten. Auch ich hätte ihn beinahe übersehen, aber mir war sein fließender Gang aufgefallen, den ich noch aus Saigon in Erinnerung hatte.
Wie er mich gefunden hatte, spielte im Augenblick keine Rolle. Weshalb er hier war, konnte ich mir denken. Mein Hauptvorteil lag auf der Hand. Ich hatte mir nicht anmerken lassen, dass ich ihn gesehen hatte, und zudem ahnte er nicht mal, dass ich wusste, wer er war.
Jetzt, wo ich ihm den
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