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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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und löste einen Moment lang in mir die wahnsinnige Lust am Töten aus, die ich zum ersten Mal in Vietnam gespürt hatte – diesen fast orgastischen Schauer, den du nur dann empfindest, wenn du einen Mann getötet hast, der alles darangesetzt hat, mit dir das Gleiche zu machen.
    Ich blieb einen Moment stehen, während der wieder besänftigte Eismann jubelnd zusah, wie Mr Blond sich abmühte, aufzustehen, mit kickenden Beinen, inmitten einer Blutlache, die sich um ihn auf dem Bürgersteig ausbreitete. Dann wurden die Beine langsamer, und seine Hände sanken herab. Ein langer gurgelnder Seufzer entfuhr ihm, der Kopf fiel auf die Straße, und die Anspannung wich aus seinen Gliedern. Ein Fuß schabte noch langsam vor und zurück, vor und zurück, ob aus Reflex oder als letztes, nutzloses Aufbäumen seines Körpers, konnte ich nicht sagen. Aber es war mir auch egal.
    Ich sah mich um. Ein Dutzend Passanten standen wie angewurzelt da, mit offenem Mund, schockiert. Sie begriffen nicht, was sie da sahen, versuchten, die Beweise zu verarbeiten, die ihre Sinne ihnen lieferten. Sie waren alle Mitte zwanzig bis Mitte dreißig, mit modischen Taschen und gepflegten Kinnbärten, und sie waren hergekommen, um sich zum Lunch in einem teuren Restaurant ein marokkanisches Couscous zu gönnen oder sich ein schickes Paar italienische Plateauschuhe zu leisten. Garantiert hatte noch keiner von ihnen je einen Toten gesehen, geschweige denn einen, der soeben vor ihren Augen erstochen worden war. Ich sah keine unmittelbaren Probleme, weder einen Komplizen noch irgendwen, der auch nur ansatzweise Anstalten machte, sich einmischen zu wollen. Ich hätte mit mehr als einem gerechnet, aber Dox hatte gesagt, es seien vier Leute auf dem Boot. Vielleicht hatte Hilger nur Mr Blond entbehren können.
    Ich hätte ihn gern nach einem Ausweis durchsucht, aber es waren zu viele Leute da, und die Zeit wurde knapp. Außerdem war ich mir so gut wie sicher, dass er ohne Papiere unterwegs war. Ich klappte das Messer zusammen und steckte es in die Tasche, legte mir die Kette um den Hals und nahm den Karton von der Erde. Ich stellte das Fahrrad hin und wollte schon aufsteigen, warf aber gerade noch rechtzeitig einen Blick nach unten auf das Vorderrad. Es war arg verbogen und würde an der Gabel hängen bleiben. Verdammt.
    Ich legte das Fahrrad flach hin und trat mit Wucht auf die Felge, bis sich das Vorderrad wieder einigermaßen drehte. Ich hätte das Fahrrad und auch den Karton einfach vergessen können, aber ich wollte lieber nichts zurücklassen. Und mit Rad kam ich schneller weg.
    Am Rande meines Gesichtsfeldes nahm ich wahr, wie ein paar Leute jetzt Handys hervorholten, Fotos machten, Videoaufnahmen, und ich war froh über die Balaklava, den Helm und die Sonnenbrille. Mit gesenktem Kopf stieg ich aufs Fahrrad und fuhr gegen die Verkehrsrichtung davon, damit mir kein Auto folgen konnte. Das Vorderrad eierte, aber es hielt.
    Ich bog nach rechts in die Houston, trat so schnell ich konnte in die Pedale, bis ich vier Querstraßen weiter erneut rechts ab in die Forsyth Street bog, wieder gegen den Verkehr. Am nordöstlichen Ende des Sara D. Roosevelt Parks sah ich einen Müllcontainer und hielt an. Mit Mr Blonds Messer öffnete ich den Karton und kippte die Verpackungschips in den Container. Dann schlitzte ich den Karton auch an der unteren Seite auf, faltete ihn flach zusammen und warf ihn ebenfalls in den Container. Zeugen würden den Karton beschreiben, den der Fahrradkurier dabeigehabt hatte, und er war auch mit Sicherheit von einigen Handykameras fotografiert worden. Er würde sich zwar nicht zu mir zurückverfolgen lassen, aber er musste auch nicht unbedingt einfach zu finden sein. Mehrstufige Schutzmaßnahmen. Immer mehrstufig.
    Ich bog in die Stanton Street. Zwei Blocks weiter machte ich kurz halt, um das Messer und die Fahrradkette in einem Gully zu entsorgen, dann fuhr ich in südlicher Richtung die Allen Street hinunter, bis ich wieder einen Müllcontainer fand – diesmal für den Helm und den Seitenspiegel. Als ich die Canal Street erreichte, stieg ich ab und lehnte das Rad an eine Hauswand, zuversichtlich, dass es sich irgendwer binnen fünfzehn Minuten unter den Nagel reißen würde. Und selbst wenn es keinen neuen Besitzer fand und der Polizei auffiel, war es steril. Die Seriennummer war weggefeilt, ich hatte es bar bezahlt und am Morgen, ehe ich losfuhr, vollständig abgewischt, um eventuelle Fingerabdrücke zu entfernen. Noch mehr

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