Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
basteln könnte, nach irgendwas Scharfem oder Spitzem in der Kabine gesucht, aber da war einfach nichts Verwertbares, kein Türstopper, keine Fensterkurbel. Sogar das Innenleben des Toilettenspülkastens hatte er überprüft, vergeblich. Mit einer Waffe hätte er vielleicht, nur vielleicht, eine Chance gehabt. Aber gefesselt, wie er war, konnte er nicht aufrecht stehen, konnte sich kaum bewegen, konnte sich nicht mal gegen Festers Knie und Ellbogen verteidigen, wenn der Psycho ihm einen Besuch abstattete. Wie zum Teufel sollte er den Mann da erledigen?
Fester spähte durchs Fenster herein, öffnete dann die Tür. Er hatte eine große Segeltuchtasche bei sich und lächelte. Dox schwante nichts Gutes.
»Gerade hab ich an dich gedacht, Onkel Fester«, sagte Dox.
Fester grinste. »Ach ja? Da bin ich aber froh, dass ich dich nicht dabei erwischt habe, wie du an dir rumspielst. Das wäre zu peinlich gewesen.«
»Menschenskind, echt lustig, dass du das sagst, weil ich genau darüber nachgedacht habe. Ich hab mich nämlich gefragt, ob du schon mal ’ne psychosexuelle Konfliktberatung gemacht hast. Ich glaube, du würdest dabei faszinierende Erkenntnisse gewinnen. Wusstest du, dass Leute mit einer Vorliebe für Folter zu fünfundachtzig Prozent in ihrer Kindheit Bettnässer und Brandstifter waren?«
Festers Augen verengten sich, seine Ohren legte sich flach an den Schädel, und Dox war angenehm überrascht. Der Blödsinn war ihm spontan in den Sinn gekommen, wer konnte schließlich sagen, was für eine verkorkste Kindheit so ein Erwachsenenexemplar wie Onkel Fester hervorgebracht hatte? Auf jeden Fall hatte er anscheinend gerade einen empfindlichen Nerv getroffen.
»Nee«, sagte Fester. »Wusste ich nicht.«
»Stimmt aber. Steht alles im New England Journal of Medicine und im Harvard Psychiatric Review. Du solltest die Artikel lesen, da könntest du einiges über deinen Charakter erfahren.«
»Ach ja, cabrón? Ich frag mich, warum du die Artikel so spannend findest.«
»Ach, Psychos wie du sind ein Hobby von mir. Wusstest du zum Beispiel, dass fast achtzig Prozent der Soldaten, die sich freiwillig für die Arbeit als Vernehmer im Zweiten Weltkrieg gemeldet haben, nicht die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung bekommen haben, weil die Tests ergaben, dass sie latent homosexuell waren? Das soll natürlich nicht heißen, dass daran irgendwas auszusetzen ist. Gay sera, sera. «
Fester lächelte, und eines seiner Augen zuckte. »Weißt du noch, wie wir über das hier gesprochen haben?«, sagte er, während er in die Tasche griff und eine Autobatterie und Krokodilklemmen hervorholte. »Als wir mit dir Waterboarding gemacht haben und du wie am Spieß geschrien hast. Da hab ich gedacht … wieso nicht?«
»Ach, Fester, das wäre doch nicht nötig gewesen. Dass du mich deine Spielsachen ausprobieren lässt, ehrlich, das rührt mich.«
»Quatsch ruhig weiter, du Arschloch. Ist ’ne gute Aufwärmübung, ehe du anfängst zu brüllen.«
Dox lächelte, spielte das Spiel weiter, doch innerlich spürte er, wie ihm angesichts der Autobatterie das Adrenalin durch die Adern schoss. Das also war die »Überraschung«. Fester würde sich heute nicht mit ein paar wohldosierten Schlägen begnügen. Er wollte stattdessen Strom einsetzen, und das bedeutete, dass er ihm nahe auf die Pelle rücken würde und mit einem Haufen Drähte herumhantieren musste.
Sonst war keiner an Bord. Eine bessere Chance würde er nie bekommen.
»Siehst du, genau das meine ich«, sagte Dox. »Fragst du dich eigentlich nie, warum dir dieser Mist so einen Spaß macht? Oder hattest du damals im schönen Mexiko Angst, dass sie dich auf den Strich geschickt hätten, wenn einer dahintergekommen wäre? Und das Schlimmste daran ist – gib’s ruhig zu, wir sind ja unter uns –, insgeheim wünschst du dir, es würde jemand tun.«
Fester lächelte wieder sein Psychopathenlächeln. »Umdrehen, cabrón. «
»Tut mir leid, amigo, aber wenn ich jemandem mit deinen nachgewiesenen Neigungen die Rückseite zudrehe, könnte mir das das ganze Wochenende versauen.«
»Los, umdrehen, cabrón. Sonst dreh ich dich um.«
Das Boot schwankte, und Dox wusste, dass jemand an Bord gekommen war. Dann Schritte auf der Treppe. Scheiße. Er war ganz dicht davor gewesen, Fester zu einem unbedachten Angriff zu provozieren. Na ja, er sollte ihn wenigstens noch ein bisschen wütender machen, damit Fester auch ganz bestimmt bald einen zweiten Versuch dieser Art startete.
»Komm
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