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Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Titel: Tokio Total - Mein Leben als Langnase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finn Mayer-Kuckuk
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Japanerinnen wie Sachiko werden zu heißblütigen Rachegöttinnen, wenn sie betrogen werden. Gerade weil das individuelle Gewissen nicht so wichtig ist, spielen Misstrauen und Eifersucht eine womöglich noch größere Rolle als im Westen. Miguel schien dagegen zu glauben, dass Sachiko höflich über gemeinsame Fotos mit Thailänderinnen in seiner Digitalkamera hinwegsehen werde. In Wirklichkeit wird sie ihn zerfleischen. Ich habe ihn gewarnt.
    Doch am Anfang einer Beziehung über die Kontinente hinweg gibt es zunächst einmal tausend nette kulturelle Unterschiede zu entdecken - alles Belege dafür, dass die Ehepartner von völlig unterschiedlichen Planeten kommen. Oft fangen die Zwistigkeiten auf ganz banaler Ebene an, wenn die Verliebtheit verfliegt. Nach einer nicht-repräsentativen Umfrage unter deutsch-japanischen Paaren haben Deutsche in einer Beziehung vor allem zwei ärgerliche Eigenschaften. Erstens bestehen sie auf Recycling-Klopapier, obwohl es kratzt. Zweitens essen sie Milchprodukte auch nach dem Verfallsdatum.

    Japan erschien mir bei meinen ersten Japan-Reisen als ideales Gegenbild zum langweiligen Deutschland mit seinem
ständigen Gerede von Problemen und Schwierigkeiten. Fünfzehn Jahre später in Tokio verstand ich, dass ich einfach nur den ersten Schritt auf einem vorgegebenen Weg gegangen war. Die nähere Beschäftigung mit Japan folgte fast immer folgendem Muster:
    Idealisierung - Desillusionierung - Normalisierung
    Die Enttäuschung ist also geradezu unvermeidlich, doch die meisten Japan-Fans erholen sich wieder. Was in der Phase der Zweifel und Desillusionierung plötzlich unerträglich erscheint, wirkt in der nächsten Phase wieder angenehm. Während der Izakaya-Abende mit Kenji und Akiko sprachen wir praktisch nur über neue Filme und andere einfache Sachen. Streit über Politik? Mit Japanern undenkbar. Wie langweilig - oder entspannend, je nachdem, an welchem Punkt sich der Japanbesucher befindet.
    Manchmal folgt dann noch eine weitere Phase:
    Zornige Enttäuschung.
    Sie trifft beispielsweise Ausländer, denen die japanische Frau das gemeinsame Kind mit dem Segen der Behörden komplett abspenstig macht - oder Leute, die zu Unrecht mit dem misstrauischen Gesetz in Konflikt geraten. So etwas war mir bisher erspart geblieben. Doch vielleicht war ich einfach noch nicht lange genug hier?

    Gegen Ende des dritten Jahres in Japan fragte ich mich manchmal, ob ich nicht einfach bleiben sollte. Tokio war einfach viel zu schön, um wegzuziehen. Ich hatte gehört, dass ein Elektronikunternehmen einen westlichen Pressesprecher als Ansprechpartner für Auslandsmedien suchte.
    Gedankenverloren starrte ich auf die Reklame an der Decke
der U-Bahn. »Denken Sie manchmal an ihr künftiges Grab? - Wir haben eine Hochtechniklösung für Ihre Ewigkeit!« Der Werbung zufolge lassen sich in dieser Einrichtung einige tausend Urnen lagern und nach Eingabe der Kennnummer durch die Verwandten hervorholen - wie im automatischen Parkhaus. Die nächste Stufe ist vermutlich die Webcam des Todes, mit der die Verwandten jederzeit einen Blick auf Oma werfen können. Ich kam zu einem Entschluss.
    Jetzt schon so eine Ikebana-Leiche im rundum bequemen Tokio zu werden, das kam gar nicht in Frage. Ich wollte noch mehr von der Welt sehen und nicht hier hängenbleiben wie Miguel.
    Letztlich hatte ich in Japan bei aller Liebe zu oft das Gefühl, nicht dazuzugehören oder etwas falsch zu machen. Selbst in manchem Grillspießchenladen war ich kurz davor, mich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die wir als Ausländer durch unsere Anwesenheit machten. Sicher nahmen die anderen Gäste irgendwie Anstoß an uns, oder wir waren zu laut und störten die Atmosphäre. Auch mit Japanern zusammen hatte ich manchmal das Gefühl, nicht ganz hinzupassen. Ich würde immer der seltsame Ausländer bleiben, der beim Dinner mehr Aufmerksamkeit bekommt, als er verdient, einfach weil er Japanisch kann. Ich beschloss weiterzuziehen, wenn sich eine Gelegenheit ergab.

Epilog
    »Wir sind doch keine Teenager mehr«, mäkelte ich.
    »Hä?«, wunderte sich Kenji. »Wir gehen doch im Sommer immer hierhin.« Japaner müssen halt alles so machen, wie sie es schon immer gemacht haben.
    »Wir hätten ja auch mal woanders hingehen können«, sagte ich und klang dabei vielleicht etwas gereizt.
    Akiko schrieb derweil eine Nachricht mit ihrem Handy. »Yusuke ist zu spät, mal sehen, wo er bleibt.«
    Ich blickte auf die Uhr. Es war erst fünf Minuten nach der

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